XBB.1.5 oder "Kraken": Die ansteckendste COVID-19-Variante
Seit 2020 wird immer wieder über das Erscheinen einer neuen COVID-19-Variante berichtet, so auch im Fall der neuesten, die auf den Namen “Kraken” getauft wurde. Die offizielle Bezeichnung lautet jedoch XBB.1.5.
Den Spitznamen “Kraken” verdanken wir Ryan Gregory. Der kanadische Biologe erklärt schwierige wissenschaftliche Sachverhalte in seinen sozialen Netzwerken und verwendet dabei Allegorien und Ausdrücke, die für die breite Öffentlichkeit verständlich sind. So entschied er, dass XBB.1.5 zu kompliziert sei und es daher angebracht sei, die Informationen mit einer Metapher zu verbreiten.
Allerdings besteht das Problem vielleicht darin, dass die Metapher übermäßige und unnötige Ängste wecken kann. Der Krake ist ein Seeungeheuer aus der nordischen Mythologie. Seine Form als Krake oder Riesenkrake machte ihn zum Schrecken derer, die in unbekannte Gewässer aufbrachen.
Obwohl die Weltgesundheitsorganisation (WHO) XBB.1.5 als die bisher ansteckendste Variante von COVID-19 bezeichnet, gilt dies nicht für ihre Tödlichkeit. Mit anderen Worten, es handelt sich um eine ansteckendere, aber weniger aggressive Form des Virus.
Es handelt sich um die bisher ansteckendste Variante. Die Zahl der Infektionen mit XBB.1.5 ist sprunghaft angestiegen.
-Maria Van Kerkhove, WHO-Epidemiologin-
Warum sagen wir, dass Kraken eine Variante von COVID-19 ist?
Manchmal ist es schwer zu verstehen oder sich vorzustellen, was eine Virusvariante ist. Wir hören den Begriff in den Nachrichten, aber wir können uns nicht erklären, warum es diese unterschiedliche Klassifizierung der Erreger gibt, die uns krank machen.
Was passiert, ist, dass sich Viren, wenn sie von einem Wirt zum anderen übertragen werden, verändern. Mit anderen Worten: Während sie sich replizieren und vermehren, um zu überleben und von einer Person zur anderen übertragen zu werden, hat sich SARS-CoV-2 (das COVID-19-Virus) verändert.
Da sie mutieren, können sich die neuen Viruskopien von denen unterscheiden, die sie hervorgebracht haben. Wissenschaftlich gesehen spricht man daher von einer Variante.
Es handelt sich dabei nicht um ein völlig anderes Virus als das, das es hervorgebracht hat, aber es ist auch nicht ganz dasselbe.
Die Varianten, die von 2020 bis heute auf COVID-19 folgten, erklären einen Großteil des Verhaltens der Krankheit. Einige Mutationen waren ansteckender, andere verursachten bestimmte Symptome, es gab auch solche, die zu Reinfektionen führten, und solche, die eine geringere oder höhere Anfälligkeit für die eingesetzten Impfstoffe hatten.
Ist Kraken dasselbe wie Omikron?
Um die Informationen zu vereinfachen, hört und sagt man häufig, dass “Kraken” eine Variante von COVID-19 ist, einfach so. Streng genommen ist XBB.1.5 eine Omikron-Linie.
Nach dem Auftauchen von Omikron folgten nacheinander verschiedene Mutationen, die mit Akronymen und Zahlen benannt wurden. Die Verschmelzung von zwei dieser Mutationen führte zur XBB-Linie. Nach zwei Mutationen sind wir bei XBB.1.5 angelangt, von dem man annimmt, dass sie in naher Zukunft die weltweit dominierende Unterlinie sein wird.
In der Theorie begann die groß angelegte Expansion in den bevölkerungsreichen Städten der Vereinigten Staaten. Vieles wird auf die Verschiebung amerikanischer Feiertage und Festivitäten zurückgeführt, aber auch auf den Kälteeinbruch, der die Temperaturen drastisch senkte und die damit verbundenen Atemwegserkrankungen begünstigt haben könnte.
Außerdem ist erwähnenswert, dass der PCR-Test, der zur Diagnose einer COVID-19-Infektion verwendet wird, nicht zwischen Omikron-Subvarianten und -Stämmen unterscheidet. Die genetischen Unterschiede sind so gering, dass die Technik nicht in der Lage ist, zwischen ihnen zu unterscheiden.
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Wie sieht XBB.1.5 oder “Kraken” aus?
“Kraken” ist die letzte bekannte Variante von COVID-19. Statistisch gesehen weist sie die folgenden Merkmale auf:
- Es handelt sich um das ansteckendste von allen, da sie eine höhere Affinität zu bestimmten Rezeptoren auf menschlichen Zellen hat.
- Sie ist in vielen Ländern nicht eindeutig vorherrschend, obwohl sie in den Vereinigten Staaten weit verbreitet ist. In Europa gibt es nur wenige und vereinzelte Fälle. Allerdings erwartet man, dass sie sich zunehmend ausbreitet.
- Es ist nicht die tödlichste Variante. Diese Variante verursachte weder einen Anstieg der Krankenhausaufenthalte auf der Intensivstation noch einen höheren Anteil an Todesfällen.
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Die Symptome der neuen COVID-19-Variante XBB.1.5 oder “Kraken”
Unter den Omikron-Untervarianten scheint es keinen nennenswerten Unterschied in den Symptomen zu geben, die sie verursachen. Außerdem ist davon auszugehen, dass in Populationen mit einer hohen Impfrate die meisten Infizierten nur ein erkältungsähnliches Krankheitsbild haben.
Die Omikron-Variante von COVID-19 ist seit jeher durch drei vorherrschende Symptome gekennzeichnet:
- Rhinorrhoe oder klarer flüssiger Ausfluss aus der Nase
- Kopfschmerzen
- Müdigkeit
Wiederkehrendes Niesen und Halsschmerzen waren die anderen häufigsten Anzeichen, von denen die Patienten berichteten.
Obwohl Fieber, Husten und Geschmacksverlust auch nach dem Auftreten der Omikron-Variante noch als Symptome der Krankheit aufgeführt wurden, waren sie in diesem Stadium der Pandemie nicht mehr so relevant. Nichtsdestotrotz sind dies weiterhin Anzeichen, auf die man achten sollte.
Bei einer Grippe treten in der Regel eher nasale Symptome auf. Im Falle von Omikron sind sie in der Regel auf den Rachen beschränkt. Das Fehlen von Schleim ist der Unterschied zwischen den beiden.
-Carmen Álvarez, Professorin an der Internationalen Universität von La Rioja-
In Europa hatten 89 % der Patient/innen, die mit einer Linie der Omikron-Variante infiziert waren, zwischen 2021 und 2022 mäßige oder leichte Symptome. Das entspricht der zu erwartenden Verbreitung von XBB.1.5: eine Mehrheit von Krankheitsbildern ohne klinischen Schweregrad.
Wie sollen wir mit der am stärksten ansteckenden Variante von COVID-19 umgehen? Brauchen wir weitere Impfstoffe?
Letztes Jahr kündigten die Wissenschaftler/innen an, dass weitere Varianten von COVID-19 auftauchen würden. Warum? Vor allem wegen der ungleichen Verteilung der Impfungen auf die Weltbevölkerung.
Laut dem Bericht der Autor/innen der besagten Erklärung beschleunigt die uneinheitliche Verteilung der Impfdosen die genetische Mutation des Virus. Menschen mit unvollständigen Impfplänen könnten die Veränderung von SARS-CoV-2 begünstigen und so die Ausbreitung von Stämmen, Varianten und Linien mit geringen Unterschieden zwischen ihnen erleichtern.
Deshalb wird die Impfung nach wie vor besonders hervorgehoben:
Es ist besser, weiterhin die vierte Dosis zu empfehlen.
-Rafael Bengoa Rentería, ehemaliger Gesundheitsminister des Baskenlandes-
In einer kürzlich im New England Journal of Medicine publizierten Mitteilung wurden neue Erkenntnisse über die Wirksamkeit der verfügbaren Impfstoffe gegen XBB.1.5 veröffentlicht. Den Autor/innen zufolge ist die Verwendung bivalenter Impfungen wirksamer als die Vervollständigung eines Zeitplans mit herkömmlichen monovalenten Impfstoffen, obwohl beide eine mehr oder weniger starke Schutzwirkung haben.
Das bedeutet, dass “Kraken” kaum eine Chance hat, der Impfung vollständig zu entgehen. Je höher die Durchimpfungsrate in der Bevölkerung ist, desto weniger schwere Fälle gibt es, auch wenn viele Menschen infiziert sind.
Abschließende Gedanken zu XBB.1.5 oder “Kraken”
Insgesamt gibt es keinen Grund zur Sorge und wir müssen verstehen, dass die neuen Varianten weniger aggressiv zu sein scheinen. Allerdings erhöht die hohe Ansteckungsgefahr die Anfälligkeit derjenigen Menschen, die während der Pandemie schon immer stärker gefährdet waren: Dazu gehören ältere Erwachsene, chronisch Kranke oder immungeschwächte Patient/innen. In diesen Gruppen ist es immer am besten, zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen zu treffen.
Das Kommuniqué des Europäischen Zentrums für die Kontrolle und Prävention von Krankheiten (ECDC), das den Kontext analysiert, beruhigt. Obwohl innerhalb von zwei Monaten eine hohe Prävalenz von XBB.1.5 zu erwarten ist, gehen die Expert/innen davon aus, dass für die europäische Bevölkerung im Allgemeinen ein geringes Risiko besteht.
Es sollten nicht-pharmazeutische Maßnahmen in Betracht gezogen werden, wie z. B. zu Hause bleiben, wenn man krank ist, Telearbeit, gute Belüftung von Innenräumen und angemessene Verwendung von Gesichtsmasken.
-ECDC-Pressemitteilung-
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