Sind Core-Übungen bei Schmerzen im Lendenwirbelbereich hilfreich?
Core-Übungen sind als therapeutische Option bei Schmerzen im unteren Rückenbereich sehr beliebt geworden. Obwohl es einige Studien gibt, die ihre Wirkung bei der Linderung dieser Beschwerden belegen, gibt es immer noch keine stichhaltigen Beweise dafür, dass sie die erste Wahl sind.
Zunächst einmal sollten wir darauf hinweisen, dass allein in einem Land wie Spanien fast 50 % der Erwachsenen über 20 Jahren unter Schmerzen im unteren Rücken leiden oder irgendwann darunter leiden werden. Diese Beschwerden sind so häufig, dass schätzungsweise 90 % aller Menschen weltweit mindestens einmal in ihrem Leben davon betroffen sind.
Eine der bekanntesten Möglichkeiten, damit umzugehen, ist Bewegung. Ärzte und Ärztinnen empfehlen oft Physiotherapiesitzungen und moderate körperliche Aktivität, um die Schmerzen zu lindern. Manche vertreten die Auffassung, dass Core-Übungen, also Übungen für die Körpermitte, am effektivsten sind. Aber entspricht dies auch den Tatsachen? Im folgenden Artikel gehen wir den Fakten auf den Grund.
Was ist die Körpermitte?
Die Körpermitte ist eine Gruppe von Muskeln, die wie ein Korsett für den Körper funktioniert. Der Core bezeichnet das “Zentrum” oder den “Kern” unseres Körpers. Zu seinen Funktionen gehören im Allgemeinen folgende:
- Schutz der Organe
- Beteiligung an den Anstrengungen, die wir beim Husten und Niesen unternehmen
- Mitwirkung beim Wasserlassen und Stuhlgang
- Mitwirkung bei der Entbindung
- Hilfe bei der Bewegung der Wirbelsäule
Zurzeit sind sich die Experten nicht ganz einig, welche Muskeln zur Körpermitte gehören. Unter den meisten Fachleute bestehet jedoch Einigkeit darüber, dass die folgenden Muskeln auf jeden Fall dazu gehören:
- Zwerchfell
- Bauchmuskeln
- Schräge und seitliche Bauchmuskeln
- Gesäßmuskeln
- Die paravertebralen Muskeln
- Der Beckenboden
Darüber hinaus sind einige der Ansicht, dass auch der Musculus quadratus lumborum (quadratischer Lendenmuskel) und einige Halsmuskeln ebenfalls dazu gehören.
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Core-Übungen und Schmerzen im Lendenwirbelbereich
Früher dachte man, dass eine Schwäche der Rumpfmuskulatur eine Instabilität des Rumpfes verursacht. Die Folge dieser Instabilität waren theoretisch Schmerzen im unteren Rücken. Daher war die logische Lösung, die Rumpfmuskulatur zu trainieren, um die Schmerzen im unteren Rücken zu beseitigen.
Nach der früheren Annahme würde die Stärkung der Rumpfmuskulatur also die Rumpfstabilität verbessern und damit die Schmerzen im unteren Rücken verringern. Aber stimmt das tatsächlich?
Mehrere Studien, von denen einige in einem Review im Journal of Exercise Rehabilitation zusammengefasst wurden, haben diese Theorie überprüft und festgestellt, dass es aus folgenden Gründen nicht so einfach ist, wie es klingt:
- Einige Menschen mit einer schwachen Rumpfmuskulatur oder einer instabilen Wirbelsäule haben keine Schmerzen im unteren Rücken.
- Darüber hinaus gibt es Menschen, die nach wie vor unter Schmerzen im Lendenwirbelbereich leiden, obwohl sie ihren Rumpf gestärkt haben.
- Die Stärkung der Bauchmuskulatur geht nicht mit einem Rückgang der Schmerzen im unteren Rückenbereich einher.
Das bedeutet, dass man die Besserung der Symptome nicht auf die Stärkung der Körpermitte zurückführen kann, zumindest nicht ausschließlich. Denn wenn dies der Fall wäre, würden alle Menschen mit Schmerzen im unteren Rückenbereich durch Core-Übungen eine spürbare Verbesserung ihrer Beschwerden erfahren. Und umgekehrt würden auch alle Patienten mit einer schwachen Muskulatur in dieser Muskelgruppe unter Rückenschmerzen leiden.
Und was ist mit denjenigen, deren Kreuzschmerzen sich durch Core-Übungen gebessert haben?
Viele Experten sind der Meinung, dass Core-Übungen bei Rückenschmerzen helfen, weil es sich um eine allgemeine sportliche Betätigung handelt und nicht, weil dieser Bereich geschwächt ist. Tatsächlich hat sich gezeigt, dass derartige Übungen langfristig ähnliche Auswirkungen auf Rückenschmerzen haben wie andere sportliche Aktivitäten.
Dies kann auf mehrere Faktoren zurückzuführen sein, zum Beispiel:
- Schmerzen im unteren Rücken gehen nach ein paar Wochen von selbst zurück, mit oder ohne körperliche Betätigung.
- Core-Übungen sind an sich schon ein Training, das die gleichen Vorteile wie jede andere körperliche Aktivität bietet.
- Bei jeder Übung sind sich die Menschen bewusster, was sie tun. Daher vermeiden sie Bewegungen, die die Symptome verschlimmern.
Körperliche Aktivität bei Schmerzen im Lendenwirbelbereich
An dieser Stelle wird deutlich, dass sportliche Betätigung ein gutes Hilfsmittel gegen Schmerzen im unteren Rückenbereich sein kann, auch wenn sie oft nicht allein wirkt. Insbesondere die Kräftigung der Körpermitte scheint nicht so wirkungsvoll zu sein, wie manche es beschreiben. Trotzdem bedeutet dies nicht, dass die Durchführung von Core-Übungen nachteilig ist.
Die Durchführung von Core-Übungen im Rahmen eines Trainingsplans hat Vorteile, ist aber nicht die einzige Option. Tatsächlich ist es am besten, einen Physiotherapeuten zu konsultieren. Dieser kann dir je nach Schweregrad der Rückenschmerzen oder deren Ursprung die besten Optionen für dich empfehlen.
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Core-Übungen: Ja oder nein?
Wenn du Spaß an Core-Übungen hast, kannst du sie natürlich machen! Allerdings muss mit dem Mythos aufgeräumt werden, dass diese Übungen die Schmerzen im unteren Rücken verbessern. Dies nährt den Glauben, dass Schmerzen im unteren Rückenbereich ein Problem der Schwäche und Instabilität sind, obwohl wir inzwischen wissen, dass dies nicht der Fall ist.
Was die beste Behandlung für Schmerzen im unteren Rückenbereich angeht, so ist keine Behandlung für sich genommen die absolute Lösung. Um eine dauerhafte Besserung zu erreichen, muss eine Kombination von Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehören unter anderem folgende Möglichkeiten:
- Mehr Bewegung und Vermeidung von völliger Ruhe
- Stressmanagement
- Richtige Ernährung
- Ausreichender Schlaf
Schmerzen im Lendenwirbelbereich sind ein komplexes Phänomen, das sich bei zwei Personen mit denselben Symptomen sehr unterschiedlich entwickelt. Daher ist ein individueller Ansatz erforderlich.
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