Veränderungen im Erbgut eines Virus

Mit der weltweiten Ausbreitung des Coronavirus stellen sich viele die Frage, wie eine Mutation eines Virus erfolgt. In unserem heutigen Artikel geht es deshalb um die Veränderung des Erbgutes von Viren. Lies weiter!
Veränderungen im Erbgut eines Virus
Leonardo Biolatto

Geschrieben und geprüft von dem Facharzt Leonardo Biolatto.

Letzte Aktualisierung: 27. Mai 2022

Bei einer Epidemie oder neuen gefährlichen Viren stellt sich logischerweise auch die Frage, wie es zu Veränderungen im Erbgut eines Virus kommt. Mit der Verbreitung des Coronavirus COVID-19 ist diese Thematik sehr aktuell.

Die Wissenschaft hat diese Frage gründlich erforscht und bei jedem Ausbruch eines neuen Virus wird dessen Verhalten untersucht, um seine Mutationsmechanismen zu analysieren.

Wir wissen, dass Viren ihr Erbgut nutzen, um zu überleben und sich zu verbreiten. Wie auch die DNA des Menschen codiert das Genom eines Virus seine Eigenschaften und sein Verhalten. Auch wie er sich verbreitet und welche Lebewesen er befällt wird im Erbgut bestimmt.

Viren haben zwei unterschiedliche Arten, zu mutieren:

  • Rekombination oder Neuanordnung: Dies ist der Fall, wenn zwei oder mehr Viren Sequenzen der DNA oder RNA austauschen und einer der Viren durch die Struktur des anderen mutiert.
  • Aleatorische Mutation: Die Veränderungen finden in diesem Fall innerhalb des Virus statt und erfolgen meist durch einen Replikationsfehler, der das genetische Material verändert.

Je größer die Anzahl der infizierten Lebewesen, desto wahrscheinlicher ist, dass der Virus mutiert. Doch es ist nicht korrekt, die Mutation des Virus mit der Mortalität zu assoziieren. Die meisten Viren werden durch die Mutation schwächer, um so ihr Überleben zu garantieren. Wenn ein Virus tödlicher wird, verliert er seine Wirte.

Warum kommt es zu Veränderungen im Erbgut eines Virus?

Die Mutation des Virus ist auf einen Fehler zurückzuführen. Fast immer handelt es sich um einen Irrtum bei der Codierung der RNA. Es gibt auch Viren mit DNA statt RNA, doch bei letzteren sind die Fehler größer.

Dies ist deshalb der Fall, da DNA-Viren einen präziseren Mechanismus haben, um ihre genetische Information zu reproduzieren. Deshalb entstehen beim Kopieren der Gene weniger Fehler. Bei RNA-Viren ist dieser Mechanismus rudimentär.

DNA-Viren verwenden das Enzym Polymerase, das in infizierenden Zellen vorhanden sind. Man muss sich das so vorstellen, als ob es sich um einen Parasiten handeln würde, der die Ressourcen des Wirts ausnutzt. DNA-Polymerasen haben die Fähigkeit, Fehler zu reparieren. 

Bei RNA-Viren ist dies jedoch anders, denn die DNA-Polymerasen können in diesem Fall Fehler nicht korrigieren. Dies führt dazu, dass diese Virenarten häufiger mutieren. Ein RNA-Virus mutiert sehr schnell. 

Wenn wir uns nun der Frage annehmen, warum sich Viren verändern, so ist die Antwort, dass sie damit versuchen, zu überleben. Wie bei der Evolution der Spezies nutzen auch Viren vorteilhafte Veränderungen, um weiterhin bestehen zu können. Allerdings bedeutet die Mutation nicht unbedingt, dass der Virus damit stärker oder tödlicher wird.

Veränderungen im Erbgut eines Virus
Fehler bei der Replikation der RNA erklären die Mutationen des Erbguts.

Sind Veränderungen im Erbgut eines Virus immer negativ?

Nein, nicht immer. Die Mutation eines Virus muss nicht unbedingt bedeuten, dass er damit gefährlicher wird und mehr Opfer tötet. Dies wäre ein evolutiver Fehler. Der Virus kann nicht zu viele Wirte töten, denn dann hätte er selbst keine Möglichkeit mehr zu überleben.

Viren verändern sich, um sich an wechselnde Umstände anzupassen, die ihnen ihre Wirte zu einem bestimmten Zeitpunkt bieten. Wenn sie weniger tödlich sind, bleiben sie länger unentdeckt und können sich besser vermehren und weitere Opfer befallen. Genau dies ist das eigentliche Ziel einer viralen Infektion: Die Viren versuchen, ihr Überleben zu garantieren.

Während sich der Virus verändert, verbessert sich auch das Immunsystem des Wirts. Das führt zu einem seltsamen Gleichgewicht, das auch das Leben des Virus verlängert. Dies ist zum Beispiel bei der menschlichen Grippe der Fall, die jedes Jahr in der kalten Jahreszeit auftritt.

Hast du diesen Beitrag schon gelesen? Welche Auswirkungen hat Grippe auf den Körper?

Was wissen wir über Veränderungen des Erbguts des COVID-19?

An der Universität von Peking wurde eine wissenschaftliche Untersuchung durchgeführt, um den Coronavirus COVID-19 zu analysieren. Dabei wurden zwei unterschiedliche Stämme entdeckt, die mit den Buchstaben L und S bezeichnet werden.

Der Stamm L infizierte die ersten menschlichen Patienten in Wuhan in China. Das bedeutet, dass dieser Stamm mutierte, um von Tieren auf Menschen überzugehen. Der Stamm S konnte bei infizierten Menschen ab Februar identifiziert werden.

Seit Januar dieses Jahres beobachten Wissenschaftler eine Reduzierung des Stamms L, was vermutlich auf die getroffenen Maßnahmen zurückzuführen ist. Vorsorgemaßnahmen und Zwangsquarantänen zur Einschränkung der Ausbreitung des Virus haben die Mutation zum Stamm S gefördert, der weniger virulent als der ursprüngliche Stamm L ist.

Veränderungen im Erbgut eines Virus
Die Mutation des Coronavirus COVID-19 hat dazu geführt, dass dieser Krankheitserreger von Tieren auf Menschen übergehen konnte.

Viren verändern sich nicht immer zu unserem Nachteil

Wenn wir wissen, wie ein Virus mutiert, können wir auch die Evolution der Epidemie besser voraussehen. In den meisten Fällen kommt es zu einem Höhepunkt  und danach werden die Ansteckungen weniger. Entscheidend dafür sind die Maßnahmen, die wir treffen, um dieses Ziel zu erreichen. Doch auch die Mutation des Virus spielt dabei eine maßgebliche Rolle.

Die Veränderungen im Erbgut des Virus sind gleichzeitig eine Aufforderung an uns, Verhaltensweisen zu verändern und entsprechende Maßnahmen zu treffen. Der Schlüssel liegt in der Vorsorge, um virotische Mutationen zu bekämpfen.


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