Selbstzerstörerische Verhaltensweisen

Sich zu schneiden oder anders selbst zu verletzen - das sind selbstzerstörerische Verhaltensweisen. Sie zeugen von großem verborgenen Leid und einem ganz klar schädlichen Mechanismus zur Schmerzbewältigung.
Selbstzerstörerische Verhaltensweisen
Valeria Sabater

Geprüft und freigegeben von der Psychologin Valeria Sabater.

Geschrieben von Valeria Sabater

Letzte Aktualisierung: 18. Juli 2022

Verstrickung in missbräuchliche Beziehungen, Neigung zur Selbstverletzung, Impulsivität, Prokrastination, Drogenkonsum und in einigen Fällen sogar Selbstmordversuche. Eine selbstzerstörerische Person bildet ein Verhaltensprofil aus, das in hohem Maße schädlich und gefährlich für sie selbst ist.

In vielen Fällen lassen sich diese Verhaltensweisen durch eine verborgene psychische Störung erklären. Erkrankungen wie Borderline oder auch die Schizophrenie weisen dieses Merkmal auf. Es ist jedoch zu beachten, dass nicht in allen Fällen ein psychisches Problem vorliegt. Auch Jugendliche oder jene Personen, die in ihrer Kindheit vernachlässigt oder körperlich misshandelt wurden, können ein gestörtes Verhalten zeigen.

Was wir bei diesen Arten von klinischen Zuständen verstehen müssen, ist, dass die Person sich so verhält, weil es ihr eine (kleine oder große) Erleichterung verschafft.

Sie erlebt ihre inneren Emotionen so intensiv, dass sie all diese Anspannung in ein Verhalten umsetzen muss. Die Erleichterung, die sie findet, ist jedoch nur sehr kurzfristig, und letztlich machen es selbstzerstörerische Verhaltensweisen diesen Menschen sehr schwer, ein erfülltes und befriedigendes Leben zu führen.

Was bedeutet es, eine selbstzerstörerische Person zu sein?

Selbstzerstörerisches Verhalten kann die Partnerschaft belasten
Selbstzerstörerisches Verhalten hat auch sehr starke Auswirkungen auf das Umfeld: Partner, Freunde, Familie usw.

Wie bereits erwähnt, ist selbstzerstörerisches Verhalten in der Regel ein Symptom für andere zugrundeliegende psychologische Probleme. In der Regel verbirgt sich dahinter ein Trauma, eine schmerzhafte Realität, die das innere Gleichgewicht der Person schon sehr früh zerbricht.

Aber anstatt angemessene Bewältigungsstrategien anzuwenden, um mit dem Erlebten umzugehen, lassen sie sich auf eine Reihe von Verhaltensweisen ein, die eindeutig schädlich für sie selbst sind. Der Grund? Die Betroffenen versuchen, das aufgestaute Leid irgendwie zu kanalisieren. So etwa die Wut, die nicht vergehen will, die anhaltende Traurigkeit und die Angst, die sich mit Frustration vermischt.

Eine selbstzerstörerische Person hat das Gefühl, dass ihre ganze Welt außer Kontrolle geraten ist. Inmitten dieses psychischen Chaos sind diese schädlichen und gestörten Verhaltensweisen für sie eine Möglichkeit, ein Gefühl der Kontrolle zu erlangen.

Ein Beispiel dafür ist die Selbstverletzung oder das Schneiden oder Ritzen, das bei Jugendlichen zwischen 12 und 18 Jahren sehr häufig vorkommt. Sich zu schneiden, sich selbst Schnitte und Wunden zuzufügen, verschafft ihnen emotionale Erleichterung und das Gefühl, dass sie den Schmerz kontrollieren.

Häufige selbstzerstörerische Verhaltensweisen

Eine selbstzerstörerische Person wird nie auf ihr eigenes Wohlbefinden achten. Sie tendiert immer zum Chaos, zu dieser Suche nach dem Schmerz, um seltsamerweise eine andere Form des Schmerzes auszulöschen: einen, der weiter innen und tiefer liegt.

Das kennen zum Beispiel auch jene, die Alkohol als eine Form der Flucht konsumieren. Sie sind sich bewusst, dass diese Angewohnheit sie letztendlich zerstören wird. Dennoch wollen oder können sie scheinbar nichts tun, um diesem Abgrund zu entkommen. Daher sollten wir verstehen, welche Gewohnheiten ein solches Verhalten normalerweise kennzeichnen.

Neigung zu zwanghaftem Unvermögen

Wenn  darum geht, irgendeine Aufgabe auszuführen oder ein Projekt zu verwirklichen, richten selbstzerstörerische Personen ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihre eigenen Grenzen, auf ihre (vermeintliche) Unfähigkeit und ihre Misserfolge. Sie werden all ihre Unsicherheiten und Unzulänglichkeiten größer erscheinen lassen, um der Welt und sich selbst zu beweisen, dass sie zu nichts zu gebrauchen sind.

Diese Selbstbezogenheit lässt sie in einer Komfortzone feststecken, aus der sie nicht herauskommen wollen. So können sie sich wieder einmal im Selbstmitleid suhlen und es beständig weiterfüttern.

Pessimistischer Ansatz

Sie bemühen sich nicht, sie geben jede Aktivität schnell auf, sie flüchten sich in eine Opferhaltung und in jene Negativität, die jeden Bereich ihres Lebens durchdringt. Durch dieses Verhaltensmuster werten sich selbstzerstörerische Menschen permanent selbst ab und nähren Verzerrungen wie selbsterfüllende Prophezeiungen. Das heißt, dass alles Schlechte, von dem sie glauben, dass es ihnen passieren wird, ihnen auch wirklich widerfährt, weil sie es selbst provozieren.

Passivität und Opferrolle

Selbstzerstörerische Menschen sind unmotiviert und passiv gegenüber allen Ereignissen, Widrigkeiten oder Gelegenheiten, die sich ihnen bieten, oder gegenüber allen Umständen, die sie zum Handeln zwingen. Sie verstecken sich, übernehmen für nichts die Verantwortung und schrecken auch nicht davor zurück, sich in eine chronische Opferrolle zu begeben.

Aggressive Beziehungen zu anderen

Jeder, der tief und ständig leidet, hat gewisse Defizite. Wer zum Beispiel die Last eines Traumas oder einer von Missbrauch geprägten Vergangenheit auf den Schultern trägt, kann leicht in die Selbstzerstörung fallen. Auf diesem Weg des Leidens zögern die betroffenen Personen jedoch nicht, dieses innere Unbehagen auf alle um sie herum zu projizieren.

Freundschaften halten nicht besonders lange. Partner kommen und gehen und bringen meist mehr Schmerz als Glück. Es ist nicht einfach, mit diesen Personen auszukommen. Das liegt daran, dass sie ständig durch Höhen und Tiefen gehen und es schwer finden, Bindungen aufzubauen, auf die sie vertrauen können. Ihr Schmerz ist oft ein zweischneidiges Schwert, das jeden in seiner Umgebung verletzt.

Schlechter Umgang mit Emotionen

Das emotionale Universum einer selbstzerstörerischen Person ist fragmentiert, chaotisch und unberechenbar. In ihrem Inneren hat sich eine Vielzahl negativer Gefühle eingenistet, beispielsweise Hass, Trauer, Wut, Traurigkeit, Angst, Schuld oder Scham.

Zusammen wirken diese Gefühle wie Dampf in einem Schnellkochtopf. Sie müssen irgendwie herauskommen, aber wenn sie es tun, dann in Form gewaltiger Wutausbrüche.

Sucht- und Risikoverhalten

Drogenmissbrauch, Alkoholismus, Sexsucht, Kaufsucht, Essstörungen, Selbstverletzungen usw. Gestörte und selbstzerstörerische Persönlichkeiten weisen fast immer einige dieser Probleme auf. Sie treten zunächst nur allmählich auf, bis sie schließlich überhand nehmen und das Leben des Betroffenen gefährden.

In ihrem Buch Violent Adolescents verdeutlicht Dr. Andrea Scherzer, dass dieses Verhalten bei Heranwachsenden immer häufiger vorkommt.

Weigerung, Hilfe anzunehmen

Ein gemeinsames Merkmal dieses Verhaltensprofils ist die absolute Weigerung, Hilfe anzunehmen. Die betroffenen Personen scheuen die familiäre Unterstützung und erst recht das Eingreifen eines Profis.

Auch Essstörungen sind selbstzerstörerisches Verhalten
Jugendliche leiden am meisten unter selbstzerstörerischen Verhaltensweisen und Essstörungen sind ein Beispiel dafür.

Selbstzerstörerische Verhaltensweisen beenden

Der erste Schritt im Umgang mit selbstzerstörerischen Verhaltensweisen besteht darin, sich ihrer bewusst zu werden. Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Verhaltensweisen nichts lösen, sondern das Leiden nur noch mehr vergrößern.

  • Zunächst müssen die Betroffenen an den unbewussten Schuldgefühlen und der Wut arbeiten. Diese beiden Gefühle begleiten stillschweigend jedes riskante Verhalten. Zuerst muss man alle Abwehrmechanismen beseitigen und an diesen Emotionen arbeiten.
  • Anschließend durchläuft man eine kognitive Therapie, in der man am inneren Dialog, irrationalen Gedanken, negativen Vorstellungen und entwertenden Überzeugungen über sich selbst arbeitet.
  • Es ist in jedem Fall ratsam, den Ursprung der Situation zu kennen. Dieser kann bei einer selbstzerstörerischen Person von einem Trauma bis hin zur Borderline-Persönlichkeitsstörung reichen. Des Weiteren empfiehlt sich eine Familientherapie, in der auch die dem Patienten nahestehenden Personen mit einbezogen werden.
  • Darüber hinaus ist es ratsam, neue, gesündere Gewohnheiten anzunehmen. Dazu ist es sehr wichtig, den Betroffenen geeignete Mechanismen zur Bewältigung zur Verfügung zu stellen. Auf diese Weise können sie neue Interessen finden, bei denen sie sich auf eine bessere und respektvollere Weise engagieren können.

Abschließend möchten wir betonen, dass all diese psychischen Erkrankungen von Spezialisten behandelt werden müssen. Destruktive Gewohnheiten können unter Umständen zu Selbstmord führen. Und das gilt es unbedingt zu vermeiden.

In diesem Zusammenhang ist es notwendig, die Aufmerksamkeit besonders auf jungen Menschen zu richten. Denn sie sind die Bevölkerungsgruppe, die am häufigsten diese Art von schädigendem Verhalten zeigt.


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