Postkoitales Tristess-Syndrom: Woher kommt das?

Nach dem Sex sind wir normalerweise entspannt und fühlen uns wohl. Was, wenn statt dessen ein Traurigkeits- oder Angstgefühl eintritt? Dann sprechen wir von postkoitalem Tristess-Syndrom.
Postkoitales Tristess-Syndrom: Woher kommt das?
Elena Sanz

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Elena Sanz.

Letzte Aktualisierung: 29. Juli 2022

Sex macht Freude und normalerweise haben beide Spaß dabei. Das ist jedoch nicht immer so, denn manchmal treten Gefühle von Angst, Traurigkeit oder Unruhe nach dem Geschlechtsverkehr auf. Dieses Phänomen ist unter dem Namen postkoitales Tristess-Syndrom bekannt.

Wenn dir das schon einmal widerfahren ist, mach dir nicht zu große Sorgen; das kommt gar nicht so selten vor. Es ist jedoch manchmal nötig, die tieferen Ursachen zu erforschen, um zu verhindern, dass ein chronisches Problem daraus wird.

Das Sexualleben stellt einen wichtigen Gesundheitsfaktor und entscheidenenden Baustein für das Gelingen von Beziehungen dar. Oftmals hat es wechselseitigen Einfluss auf  andere Lebensbereiche, sodass persönliche Probleme sich negativ auf den Sex auswirken können beziehungsweise ein gestörtes Sexualleben das allgemeine Wohbefinden beeinträchtigt.

Aus genau diesem Grund ist es wichtig, die zugrundeliegenden Probleme, anstatt sie aus Schuldgefühl oder Scham zu verdrängen, anzugehen, damit es dir wieder gut geht.

Was ist das postkoitale Tristess-Syndrom?

postkoitale Tristesse

Man spricht bei der postkoitalen Tristesse auch von postkoitaler Dysphorie oder Depressionen nach dem Sex, wenngleich es sich hier nicht um Depressionen im eigentlichen Sinne handelt, sondern eher um negative Gefühle wie Traurigkeit, Angst oder Nostalgie, die auftreten, wenn man fertig mit dem Sex ist. Solche Gefühlszustände können von wenigen Minuten bis zu mehreren Stunden andauern.

Ein derartiges Tristess-Gefühl kann nach dem gemeinsamen Orgasmus oder auch nach der Masturbation bei Frauen und Männern jeder Altersstufe auftreten. Das bedeutet nicht, dass der vorangegangene Sex unbefriedigend war. Das postkoitale Tristess-Syndrom kann durchaus auch nach einvernehmlichem, lustvollen Sex, den beide Partner sehr genossen haben, auftreten.

Im Allgemeinen tritt nach dem Sex ein Wohlgefühl und Entspannung ein. Im Fall des postkoitalen Tristess-Syndroms kommt es jedoch zu einer Fehlfunktion in der End- und Auflösungsphase der sexuellen Begegnung. So entstehen negative und verstörende Gefühle.

Das Phänomen tritt normalerweise nur sporadisch auf. Laut einigen Studien geben ca. 41 % der Männer und 46 % aller Frauen an, dies an einem bestimmten Punkt in ihrem Leben erfahren zu haben.

Meistens wird dem keine große Bedeutung beigemessen, weil das negative Gefühl wieder vorübergeht. Wenn die postkoitale Dysphorie jedoch regelmäßig auftritt, ist es wichtig, die Ursachen zu erforschen.

Was sind die Ursachen des postkoitalen Tristess-Syndroms?

Über die Ursachen ist man sich noch nicht einig, denn es gibt keine verlässlichen wissenschaftlichen Daten zum Thema. Die Theorie, die sich durchgesetzt hat, besagt, dass das Tristess-Gefühl mit biochemischen Prozessen, die in Verbindung mit der sexuellen Aktivität stehen, zusammenhängt.

Hier ist es wichtig zu beachten, dass während des Orgasmus eine große Menge Hormone freigesetzt werden, die Glücksgefühle erzeugen. Gleichzeitig werden wichtige Hirnregionen inaktiv geschaltet: der Frontallappen und die Amygdala (verantwortlich für rationales Denken bzw. Urtriebe wie Angst).

Nach dem Orgasmus kehrt der Organismus wieder zur Normalfunktion zurück, was Auslöser für die negativen Gefühle sein kann. Außerdem gibt es weitere Hypothesen, welche ergänzend zu der vorigen genannt werden können:

  • Menschen mit sehr strenger oder religiös starrer Erziehung können destruktiven Glaubensmustern in Bezug auf Sex nachhängen. Wenn sexuelle Aktivität mit Sünde, Schuldgefühl oder Scham verknüpft ist, kann dies auslösend für das postkoitale Tristess-Syndrom sein.
  • Wer Vergewaltigung oder sexuellen Missbrauch jedweder Art erfahren hat, ist anfälliger für negative Gefühle in Verbindung mit dem Sexualakt.
  • Manchmal ist das postkoitale Tristess-Syndrom ein Anzeiger dafür, dass die emotionale Verbindung mit dem Sexualpartner nicht tief genug ist. In anderen Worten, dass wir gefühlsmäßig oder auch von unserem Körperempfinden her noch nicht reif für eine sexuelle Begegnung sind.
  • Beziehungsprobleme können hier auch eine Rolle spielen. Die sexuelle Intimität kann verdrängte Konflikte, Wutgefühle oder Unbefriedigtsein zu Tage treten lassen, was dann in Traurigkeit und depressive Zustände münden kann.

Postkoitales Tristess-Syndrom: Behandlungsmöglichkeiten

Wie vorab erwähnt, muss man sich nicht wirklich Sorgen machen, solange die postkoitale Dysphorie nur sporadisch auftritt. Meistens handelt es sich um ein vorübergehendes Phänomen, was keine tiefere Diagnose erfordert. Tritt es jedoch häufiger auf, zielen etwaige Behandlungen auf die Erforschung der tieferen Ursachen ab.

Zunächst geht es darum, organische Ursachen auszuschließen. Dann muss man sich über die entsprechenden Überzeugungen zum Thema Sex im Klaren werden. Existiert hier ein Tabu oder herrschen Schuld- und Schamgefühle vor, ist es nötig, die eigenen Denkmuster anzugehen.

Gab es hingegen Missbrauchsvorfälle in der Vergangenheit, wird eine psychotherapeutische Behandlung notwendig sein, um die damit zusammenhängenden negativen Gefühle aufzulösen. Bei Beziehungsproblemen kann Paartherapie ein guter Weg sein, tieferliegende Konflikte zu lösen.

Insgesamt ist es immer hilfreich, wenn der Sexualakt mit dem Orgasmus nicht endet, d.h. dass beide Partner noch nach dem Höhepunkt Zeit damit verbringen, sich zu streicheln, zu umarmen oder andere Gemeinsamkeiten, die nicht unbedingt mit Sex zu tun haben müssen, zu genießen.

Wie geht man mit dem postkoitalem Tristess-Syndrom um?

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