Die Angst aus philosophischer Sicht
Die Angst ist eine angeborene physiologische Reaktion, deren Hauptfunktion darin besteht, das Überleben der Art zu sichern. Daher gehört sie zu den grundlegenden und fundamentalen Emotionen verschiedener Tiere, einschließlich des Menschen. Trotz ihrer relativen Bedeutung hat sich die westliche Philosophie im Laufe der Geschichte nur wenig mit dem Thema Angst beschäftigt.
Die spärliche Behandlung dieses Themas lässt sich damit begründen, dass die westliche Philosophie der Rationalität den Vorrang gegeben hat, die als unvereinbar mit den menschlichen Gefühlen und Leidenschaften gilt.
Dennoch haben es einige Philosophen gewagt, über dieses Grundgefühl nachzudenken und interessante Positionen dazu formuliert. Sehen wir uns diese im Detail an.
Die Angst aus philosophischer Sicht
Unter den Philosophen, die Theorien über die Angst aufgestellt haben, stechen die folgenden hervor.
Epikur
Epikur (341 v. Chr. – 271/270 v. Chr.) war der antike griechische Philosoph, der sich am meisten mit dem Thema Angst beschäftigt hat. Ziel dieses Denkers war es, eine Philosophie des Glücks zu entwerfen, in der er die Überwindung von Ängsten als Voraussetzung für das Erreichen von Erfüllung hervorhob.
In diesem Sinne unterschied Epikur vier Arten der Angst im Menschen:
- Die Angst vor den Göttern: Er erkannte, dass die Vorstellung von Göttern dazu benutzt wurde, die Menschen zu manipulieren, und sein Vorschlag zur Überwindung dieser Angst bestand darin, die Götter als “weise Männer” außerhalb der Welt anzuerkennen, da sie sich niemals mit dem beschäftigen würden, was Menschen tun oder nicht tun.
- Die Angst vor dem Tod: Epikur vertrat auch die Ansicht, dass wir den Tod nicht fürchten sollten, da er aus dem Fehlen von Empfindungen besteht. Es macht also keinen Sinn, sich vor etwas zu fürchten, das wir nie spüren werden. Darüber hinaus erklärte er, dass es den Tod nicht gibt, solange wir existieren, und wenn er da ist, gibt es uns auch nicht.
- Angst vor Schmerzen: Einerseits ist diese Art von Angst Teil der menschlichen Natur, da sie auftritt, wenn wir unsere natürlichen und notwendigen Bedürfnisse (Hunger, Kälte, Durst usw.) nicht stillen können. Allerdings können wir auch Schmerz empfinden, wenn wir unnötige Wünsche wie Luxus oder Leidenschaften nicht befriedigen.
- Angst vor dem Scheitern beim Streben nach dem Guten: Für diesen Philosophen wird das Gute durch Glück erreicht, aber das Glück besteht darin, mehr zu sein, nicht darin, mehr zu haben. Wer also glaubt, dass das Glück von äußeren Faktoren abhängt, der verkennt etwas und macht sich von Dingen abhängig, die sich seiner Kontrolle entziehen (wie die Meinung anderer oder äußere Belohnungen).
“Fürchte nicht die Götter, fürchte nicht den Tod, Vergnügen ist leicht zu erlangen und Schmerz ist leicht zu vermeiden.”
-Philodemus von Gadara (epikureischer Philosoph)-
Hobbes: Die Angst als Grundlage des Staates
Nach der Hobbes’schen Philosophie ist die Furcht in die politische Sphäre eingebettet. Denn diese Emotion stellt die Grundlage für die Bildung und Erhaltung des Staates dar.
Thomas Hobbes (1588 – 1679) beschreibt in seinem berühmten Buch Leviathan die Notwendigkeit einer Regierung, um den natürlichen Zustand des Menschen zu regulieren, da der Mensch in seinem natürlichen Zustand frei ist, zu tun, was er will, und sich um seine eigenen Interessen zu kümmern. Ohne eine Instanz, die uns reguliert, können wir daher sehr leicht in einen Krieg aller gegen alle verfallen.
Angesichts dieser menschlichen Tendenz schlägt er einen Gesellschaftsvertrag vor, in dem jeder auf seine natürlichen Rechte verzichtet und im Gegenzug den Schutz eines Souveräns (der Regierung) in Anspruch nimmt. Auf diese Weise wird die Sicherheit des Kollektivs garantiert und im Gegenzug die absolute Macht in den Händen des Souveräns belassen.
Warum sollten die Menschen nun Teil eines Vertrags sein und einen Teil ihrer Freiheit aufgeben wollen? Der Grund, den Hobbes nennt, ist die Angst. Denn die größte Furcht der Menschen ist der Tod. Und wenn sie nicht Teil eines Staates sind, können sie leicht sterben. Daher ist die erste Aufgabe der Regierung der Schutz derjenigen, die den Vertrag geschlossen haben.
Die Angst wiederum ist auch an der Erhaltung des Staates beteiligt. Die Vertragsparteien können den Pakt jederzeit brechen. Aber warum tut die Mehrheit das nicht? Hobbes antwortet, “aus Furcht vor dieser unsichtbaren Macht, die alle wie einen Gott verehren und die alle als Rächer ihrer Untaten fürchten”.
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Theodor Adorno und Max Horkheimer: Die Angst vor dem Mangel an Rationalität
In der Philosophie von Adorno und Horkheimer ist die Angst in einer Kritik an der Aufklärung verankert. In ihrem Buch Dialektik der Aufklärung (1947) weisen die Autoren darauf hin, dass die Angst vor der Abkehr von der Vernunft diese intellektuelle Bewegung aufgesogen und gegen sich selbst gerichtet hat.
Mit anderen Worten: Die Aufklärung schlug als einzige Methode der Wissenschaft vor, den Mythos zu bekämpfen und sich an der Vernunft zu orientieren. Doch auf diese Weise verlor sie ihren Sinn, da sie die Wissenschaft selbst zum Mythos machte, indem sie sich das kritische Denken verbot.
So führte die Fixierung der Aufklärung auf den Mythos dazu, dass sich die durch ihn aufrechterhaltenen Ängste veränderten. Man fürchtete sich nicht mehr vor einer Gottheit oder der Strafe, sondern vor dem Mangel an Objektivität und Rationalität.
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Heuristik und Hermeneutik zur Angstbewältigung
Aus philosophischer Sicht lässt sich die Angst durch eine ausgewogene Kombination von Heuristik und Hermeneutik bewältigen. In diesem Fall würde die Hermeneutik der Angst darin bestehen, über die verschiedenen Arten der Angst (Furcht, Besorgnis, Panik usw.) und ihre Ursachen nachzudenken, sie zu verstehen und zu erläutern.
Auf der anderen Seite wäre die Heuristik der Angst der Reflexions- und Bildungsprozess, durch den wir diese Emotion als notwendiges Element zur Vermeidung von Schaden und Übel annehmen würden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Erziehung zur Angst und ihre korrekte Ausprägung Vorteile haben.
Der Schriftsteller und Philosophieprofessor Víctor Bermúdez drückt es sehr treffend aus: “Der einzige Weg, die Angst zu überwinden, ist letztlich das Wissen”. Mit anderen Worten: Wenn man die objektiven Ursachen für den eigenen Schmerz und den der anderen kennt, kann man die Angst leichter überwinden.
Der Begriff der Angst in der Philosophie erschöpft sich nicht in den oben dargestellten Positionen. Auch namhafte Philosophen wie Aristoteles und Robert Castel haben sich dieser Emotion von einem reflektierenden Standpunkt aus genähert.
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