Warum sind manche Menschen schmerzempfindlicher als andere?

Es ist bekannt, dass manche Menschen schmerzempfindlicher sind als andere. Aber weißt du auch, warum das so ist? In diesem Artikel erzählen wir dir mehr über Schmerzempfindlichkeit.
Warum sind manche Menschen schmerzempfindlicher als andere?
Leonardo Biolatto

Geprüft und freigegeben von dem Facharzt Leonardo Biolatto.

Geschrieben von Leonardo Biolatto

Letzte Aktualisierung: 04. August 2022

Es ist bekannt, dass manche Menschen schmerzempfindlicher sind als andere. Wir alle haben bereits derartige Beobachtungen oder Erfahrungen gemacht. Selbst bei Menschen desselben Alters oder aus derselben Familie kann die Schmerzempfindlichkeit stark variieren. Außerdem reagiert jeder Mensch sehr unterschiedlich auf Schmerzmittel.

Aber was ist Schmerz? Es ist nicht ganz einfach, ihn zu definieren. In der Wissenschaft herrscht Einigkeit darüber, dass Schmerz eine unangenehme Erfahrung ist, die mit einem tatsächlichen oder potenziellen Schaden verbunden ist.

Da er schwer zu definieren ist, ist es auch schwierig, ihn zu behandeln und zu interpretieren. Für Allgemeinmediziner/innen ist der Umgang mit schmerzgeplagten Patient/innen eine große Herausforderung. Wenn man dann noch bedenkt, dass manche Menschen schmerzempfindlicher sind als andere, wird es noch schwieriger, die richtige Herangehensweise an den Schmerz für jeden Einzelnen zu finden.

Man nimmt an, dass mehr als die Hälfte der Unterschiede in der Schmerzempfindlichkeit auf die Genetik zurückzuführen ist. Das bedeutet im Grunde, dass unsere Schmerzgrenze von unserer DNA abhängt.

Die Schmerzschwelle ist die niedrigste Stärke eines Reizes, die wir ertragen können, bis wir eine Empfindung haben, die wir als schmerzhaft bezeichnen würden. Diese Schwelle ist für jeden Menschen individuell und wird neben der Genetik noch durch einige andere Faktoren beeinflusst. Schauen wir uns das einmal genauer an.

Faktoren, die die Schmerzempfindlichkeit eines Menschen beeinflussen

Wie wir bereits erwähnt haben, sind manche Menschen aufgrund ihrer Genetik schmerzempfindlicher als andere. Unsere Gene werden jedoch im Laufe der Zeit fortlaufend beeinflusst. Hierbei handelt es sich um folgende Einflussfaktoren:

  • Epigenetik: Einige wissenschaftliche Studien haben die Schmerzempfindlichkeit von eineiigen Zwillingen untersucht, um die Genvariabilität zu ermitteln. Obwohl eineiige Zwillinge den gleichen DNA-Gehalt haben, reagieren sie nicht zwangsläufig gleich auf Schmerzen. Die Studien kommen zu dem Schluss, dass das soziale Umfeld und der Lebensstil unsere Schmerzschwelle verändern können.
  • Desensibilisierung: Schmerz wird von Rezeptoren im Körper, den Nozizeptoren, wahrgenommen. Wenn der Schmerzreiz chronisch ist und über längere Zeit anhält, schalten sich die Nozizeptoren ab. Das nennt sich Desensibilisierung.
  • Aufmerksamkeit: Wir wissen, dass die Aufmerksamkeit, die wir unseren Schmerzen schenken, sie verstärken oder verringern kann. Bei Übungen, bei denen der Schmerzpatient aufgefordert wird, seine Aufmerksamkeit auf andere Dinge zu richten, wird der Schmerz tendenziell als milder empfunden.
  • Schlaf: Manche Menschen sind aufgrund von Schlafstörungen schmerzempfindlicher als andere. Wissenschaftliche Studien haben auch diese Variable untersucht. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ein schlechter Traum die Gehirnaktivität in den Bereichen erhöht, die Schmerzen interpretieren. Je weniger Ruhe die Person bekommt, desto niedriger ist ihre Schmerzschwelle.
schmerzempfindlicher - Handgelenksschmerzen

Menschen, die sehr schmerzunempfindlich sind

Es gibt ungewöhnliche genetische Veränderungen, die dazu führen, dass Menschen unempfindlich gegenüber Schmerzen sind. Als dies zum ersten Mal entdeckt wurde, nannte man diesen Zustand reine Analgesie. Mit der Zeit und einem besseren Verständnis der Genetik wurde die Diagnose immer genauer. Heute gibt es Bezeichnungen für diese Veränderungen, wie z. B. kongenitale Schmerzunempfindlichkeit oder Mutation des SCN11A-Gens.

Genetische Mutationen, die die Schmerzempfindlichkeit verändern und zu Analgesie führen, basieren in der Regel auf Veränderungen an den Nozizeptoren. Einige andere Mutationen betreffen die Nerven, die Schmerzinformationen an das Gehirn weiterleiten.

Auch wenn es wie ein Vorteil erscheinen mag, keinen Schmerz zu empfinden, ist es in Wirklichkeit keiner. Das Nichtspüren von Schmerzen ist für Menschen mit dieser Mutation sehr gefährlich.

Wenn der Körper keine Schmerzen wahrnimmt, verliert er die Fähigkeit, auf potenzielle oder aktuelle Gefahren zu reagieren. Stelle dir vor, du bekommst einen Nagel in den Fuß, aber du hast ihn nicht gespürt. Infolgedessen reagieren deine Abwehrmechanismen nicht und dein Fuß entzündet sich.

Oder stelle dir vor, dass eines deiner inneren Organe dich nicht vor einer Krankheit warnt, die du möglicherweise hast. Die Krankheit könnte unentdeckt bleiben und sogar zum Tod führen.

schmerzempfindlicher - Nozizeptoren

Menschen, die schmerzempfindlicher als die meisten reagieren

Im Gegensatz zu den Menschen, die schmerzunempfindlich sind, sind einige wesentlich schmerzempfindlicher als die meisten anderen Menschen. Sie interpretieren Schmerzsignale auf übertriebene Art und Weise, so dass selbst der kleinste Schmerz unerträglich wird.

Auch bei dieser Störung gibt es genetische Veränderungen, die beispielsweise als primäre Erythromelalgie bezeichnet werden. Das betroffene Gen ist SCN9A. Es verstärkt die Nervenübertragung von Schmerzen.

Abgesehen von der genetischen Veranlagung sind manche Menschen auch aufgrund von Morphinen und Süchten empfindlicher für Schmerzen als andere. Menschen, die chronisch Morphin-Derivate als Schmerzmittel einnehmen oder heroinabhängig sind, können mit der Zeit schmerzempfindlicher werden.

Dieser Zustand der Hyperalgesie ist in der Regel mit einer anderen Form der Schmerzempfindlichkeit, der Allodynie, verbunden. Allodynie ist der Schmerz, der durch Situationen verursacht wird, die nicht schmerzhaft sein sollten, z. B. wenn deine Kleidung an deiner Haut reibt. Menschen, die schmerzempfindlicher sind, verspüren meist schon bei geringen Reizen Schmerzen.


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