Bioidentische Hormone: Mögliche Vorteile und Risiken
Bioidentische Hormone sind künstlich hergestellte Verbindungen. Einige werden aus Pflanzen gewonnen, obwohl Experten behaupten, dass sie den vom menschlichen Körper produzierten Hormonen ähnlich sind. Sie werden zur Behandlung von Patientinnen und Patienten eingesetzt, deren Hormonproduktion unterhalb des Normalbereichs liegt.
Außerdem sollen bioidentische Hormone mehrere Vorteile bieten und als natürliche Lösung effektiver sein. Allerdings gibt es keine Studien, die diese angeblichen Vorteile belegen.
In diesem Artikel gehen wir auf alle Aspekte der bioidentischen Hormonbehandlung ein. Wir erklären, worum es sich dabei handelt, wie bioidentische Hormone wirken und welche Vorteile, Risiken und möglichen Nebenwirkungen damit verbunden sind.
Hormonelle Veränderungen und Ungleichgewichte
Hormone sind chemische Stoffe, die von verschiedenen Drüsen im Körper produziert werden. Sie fungieren als eine Art Botenstoff, der den anderen Organen mitteilt, wie und wann sie handeln sollen. So gibt es Hormone für fast jede Funktion, vom Wachstum über die Verdauung bis hin zum Sex.
Hormonelle Veränderungen aufgrund von Krankheiten oder natürlichen Lebensphasen sind nichts Ungewöhnliches. Zum Beispiel in den Wechseljahren. Wenn die Produktion von Östrogen und Progesteron bei Frauen nachlässt, können verschiedene Symptome auftreten.
Aber die ist nicht nur bei Frauen der Fall. Denn auch bei Männern gibt es das sogenannte Testosteronmangelsyndrom. Und dieses Syndrom tritt nicht nur in einem bestimmten Alter auf, sondern auch bei jüngeren Menschen.
Bei beiden Geschlechtern besteht die Behandlung darin, den Verlust durch eine Hormonersatztherapie auszugleichen. In einigen dieser Fälle kommen bioidentische Hormone zum Einsatz.
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Was sind bioidentische Hormone?
Bioidentische Hormone heißen so, weil sie chemisch den Hormonen ähneln, die der menschliche Körper produziert. Die am häufigsten nachgebildeten und in der Hormonbehandlung verwendeten Hormone sind Östrogen, Progesteron und Testosteron. Darüber hinaus kommen auch Pregnenolon oder Dehydroepiandrosteron zur Anwendung.
Diese Verbindungen sind größtenteils künstlich oder synthetisch hergestellt. Und selbst wenn sie aus pflanzlichen Produkten gewonnen werden, insbesondere aus Pflanzen wie Soja und Yamswurzel, werden sie im Labor verändert.
Diese bioidentischen Hormone kannst du gebrauchsfertig kaufen. Andere wiederum stellt ein Apotheker nach den Vorgaben des behandelnden Arztes her. Ein wesentlicher Unterschied zwischen diesen beiden Varianten besteht darin, dass die in Deutschland verkäuflichen Marken- oder Laborprodukte von der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) und der Europäischen Arzneimittelagentur überprüft und zugelassen sind, während die auf Anordnung eines Arztes hergestellten Präparate in der Regel keiner derartigen Kontrolle unterliegen.
Was die Formate und Verabreichungswege angeht, so gibt es bioidentische Hormone in Form von Pillen oder Tabletten, Cremes oder Gelen, Aerosolen, Pflastern, Injektionen, Pellets (subkutanes Implantat) und sogar Vaginaleinlagen.
Vorteile bioidentischer Hormone
Der Hormonspiegel im Körper nimmt mit zunehmendem Alter ab. Das ist besonders bei Frauen in der Perimenopause der Fall. Der Rückgang kann aber auch auf ein Ungleichgewicht aufgrund anderer Faktoren zurückzuführen sein.
In diesem Fall werden bioidentische Hormone in der Ersatztherapie eingesetzt. Darüber hinaus können diese Präparate auch bei der Behandlung der verschiedenen Symptome helfen, die während der Wechseljahre auftreten.
Des Weiteren sollen derartige Hormone bei der Behandlung von Insulinresistenz, Nebennieren- und Schilddrüsenerkrankungen, Osteoporose, Fibromyalgie, Diabetes und Katarakten wirksam sein. Allerdings ist keiner dieser angeblichen Vorteile bisher bewiesen.
Zu den Vorteilen, die bioidentischen Hormonen im Vergleich zu anderen Methoden zugeschrieben werden, gehören die niedrigeren Kosten und die größere Sicherheit, da sie natürlichen Ursprungs sind. Aber auch diese Behauptungen werden nicht durch klinische Studien gestützt.
Dennoch gibt es eine Studie, die ergab, dass Menschen mit Krebs, die sich einer bioidentischen Hormonersatztherapie unterzogen, über eine Linderung ihrer Symptome berichteten. Dazu gehörten die Linderung von Migräne und Schlaflosigkeit.
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Bioidentische Hormone: Risiken bei der Einnahme
Wie Studien zeigen, bieten bioidentische Hormone keine Vorteile. Darüber hinaus mangelt es an einer Kontrolle durch die zuständigen Gesundheitsbehörden in Bezug auf den Herstellungsprozess und die verwendeten Substanzen.
Dennoch gibt es keine Untersuchungen, die explizit belegen, dass bioidentische Hormone potenziell gefährlicher sind. Sie sind weder sicher noch unsicher. Daher mahnen Experten lediglich zur Vorsicht bei der Anwendung.
Forscher glauben, dass diese Art der Hormonersatzbehandlung die gleichen Risiken birgt wie andere Formen der Hormontherapie. Zu diesen potenziellen Nebenwirkungen gehören die folgenden:
- Kopfschmerzen
- Reizbarkeit
- Gewichtszunahme
- Verschwommene Sicht
- Akne
- Empfindlichkeit der Brustwarzen
- Vermehrte Gesichtsbehaarung bei Frauen
Bioidentische Hormone: Jede Hormonersatztherapie birgt Risiken
Die Women’s Health Initiative (WHI) führte eine große Studie mit mehr als 16.000 Frauen im Alter von 50 bis 79 Jahren durch. Sie kam unter anderem zu dem Schluss, dass das Risiko für Brustkrebs, Herzkrankheiten und Schlaganfälle während einer Östrogen- und Progesterontherapie leicht ansteigt.
Spätere Analysen und Interpretationen der WHI-Studie und anderer ähnlicher Arbeiten relativierten die Ergebnisse etwas. Die Folge war jedoch, dass viele Menschen begannen, nach alternativen Behandlungen zu suchen. Zum Beispiel mit bioidentischen Hormonen.
Diese Hormone können zwar eine Option sein, sind aber nicht ohne Risiko. Daher empfehlen wir, dass du nur Präparate einnehmen solltest, die von einer Gesundheitsbehörde empfohlen werden. Außerdem solltest du jede Behandlung mit deinem Arzt besprechen.
Grundsätzlich raten wir davon ab, Hormonersatzprodukte zu verwenden. Falls du dich doch dafür entscheidest, solltest du die niedrigste wirksame Dosis über den kürzest möglichen Zeitraum einnehmen.
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