Trockennadelung: Wie funktioniert diese Behandlung und wann kommt sie zum Einsatz?

Um die Wirkung der Trockennadelung zu verstehen, ist es wichtig, zwei Konzepte zu kennen: Triggerpunkte und myofasziale Schmerzen. 
Trockennadelung: Wie funktioniert diese Behandlung und wann kommt sie zum Einsatz?
Leonardo Biolatto

Geschrieben und geprüft von dem Facharzt Leonardo Biolatto.

Letzte Aktualisierung: 11. November 2022

Die Physiotherapie verfügt über verschiedenste Methoden zur Behandlung von Schmerzen. Im Laufe der Geschichte wurden zahlreiche neue Therapien entwickelt, die sich als sehr hilfreich erwiesen haben. Heute sprechen wir über eine dieser Behandlungsmöglichkeiten: die Trockennadelung. 

Diese Technik, die auch unter der englischen Bezeichnung dry needling bekannt ist, bezweckt, Muskelschmerzen zu lindern. Erfahre in unserem heutigen Artikel Wissenswertes über diese Therapie, die in verschiedensten Fällen sehr effizient gegen Muskelschmerzen sein kann.

Um die Wirkung der Trockennadelung zu verstehen, ist es wichtig, zwei Konzepte zu kennen: Triggerpunkte und myofasziale Schmerzen. 

Was sind Triggerpunkte?

Es handelt sich um sehr reizbare Punkte, an denen es durch die Überlastung von Muskelfasern zu kleinsten Muskelverkrampfungen kommt. Die verkrampften Muskelzellen lösen lokale Entzündungsreaktionen aus, die wiederum verschiedene Folgen haben.

Bei Druck auf den Triggerpunkt spüren Betroffene akute Schmerzen, die weit auf andere Körperbereiche ausstrahlen können. Darüber hinaus kann es zu einer motorischen Störung und Beschwerden wie Übelkeit und Schwindel kommen. 

Die Triggerpunkte strahlen meist auf spezifische Körperzonen aus, was dem Physiotherapeuten einen Hinweis gibt, wo sich der Ursprung der Schmerzen befinden könnte. So können beispielsweise Kopfschmerzen durch einen Triggerpunkt am oberen Trapezmuskel, dem Schulterblattheber oder Externalcleidomastoid auftreten.

Der Ursprung der Schmerzen kann sich also an einer anderen, zum Teil weit entfernten Stelle befinden. Die Triggerpunkte können aktiv oder latent sein. Ein aktiver Triggerpunkt strahlt Schmerzen in anderen Bereichen aus, ein latenter hingegen verursacht keinen Schmerz.

Die Triggerpunkte können mit akuter oder chronischer Überlastung der Muskeln, direkten Traumata oder Unterkühlung aktiviert werden. Der häufigste Grund für die Aktivierung ist die chronische Überbelastung durch Haltungsprobleme.

Trockennadelung gegen Schmerzen

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Was sind myofasziale Schmerzen?

Myofasziale Schmerzen gehen von der Muskulatur aus und können akut oder chronisch sein. Sie sind sehr störend und treten häufig auf, sind jedoch relativ unbekannt. Diese Schmerzen sind nicht durch Veränderungen zu erkennen, die durch bildgebende Technologien oder Analysen festzustellen sind. Deshalb handelt es sich um ein Syndrom, das häufig nicht erkannt wird.

Myofasziale Schmerzen sind an folgenden Symptomen zu erkennen, die durch Triggerpunkte ausgelöst werden:

  • Erhöhte Druckempfindlichkeit: Die Überempfindlichkeit äußert sich zum Beispiel durch einen Stoß, der normalerweise keine Schmerzen bereitet. Zusätzlich kann es zu ausstrahlenden Schmerzen kommen.
  • Motorische Symptome: Die Körperkraft ist geschwächt und es fällt Betroffenen schwer, die betroffenen Muskeln zu bewegen.
  • Autonome Symptome: Rhinitis, tränende Augen, vermehrte Speichelbildung, Temperaturschwankungen, Schwitzen, Piloerektion (aufstehende Haare), Schwindel, Übelkeit und Hautrötungen.

Die myofaszialen Schmerzen entstehen durch drei unterschiedliche Faktoren:

  • Hartes, gespanntes Muskelbündel (Muskelhartspann)
  • Triggerpunkt
  • Ausstrahlen der Schmerzen des Triggerpunktes in die Übertragungszone

Was ist Trockennadelung?

Die Trockennadelung ist eine physiotherapeutische Technik, die vorwiegend bei  myofaszialen Schmerzen zur Anwendung kommt. Sobald der Triggerpunkt feststeht, der die myofaszialen Schmerzen verursacht, deaktiviert der Physiotherapeut diesen Punkt mit einer Nadel. Die verwendeten Nadeln sind denen der Akupunkturnadeln sehr ähnlich, doch länger, um bis zu dem betroffenen Muskel vorzudringen.

Hygiene ist bei der Trockennadelung grundlegend. Der Physiotherapuet trägt Handschuhe und verwendet Desinfektionsmittel und sterile Gaze, denn die Trockennadelung ist eine semi-invasive Technik, da die Nadeln in die Haut des Patienten einstechen und bis zu den Muskeln vordringen. Diese Nadeln sind nicht wiederverwendbar.

Der Physiotherapeut sticht die Nadel ohne Betäubung in den Triggerpunkt und bewegt sie, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen und einen lokalen Spasmus zu erreichen, das heißt eine unfreiwillige Kontraktion des Muskels. Erst danach entfernt der Experte die Nadel.

Die trockene Punktion des Muskels stimuliert den Muskelrezeptor und entspannt den Muskel nach dem Spasmus. Damit verbessert sich seine Elastizität und die Schmerzen nehmen in diesem Bereich ab.

Ist Trockennadelung dasselbe wie Akupunktur?

Die trockene Punktion ist eine wissenschaftliche Technik, mit der myofasziale Schmerzen kontrolliert werden können. Sie dauert zwischen 2 und 5 Minuten, kann schmerzhaft sein und wird nur von spezialisierten Physiotherapeuten durchgeführt.

Die Akupunktur basiert hingegen auf die Traditionelle Chinesische Medizin. Der Akupunkteur behandelt Energiepunkte an der Oberfläche, ohne in Kontakt mit dem Muskel zu kommen. Die Dauer einer Sitzung beträgt ungefähr 20 Minuten. Diese Behandlung ist schmerzfrei und kann bei verschiedenen Beschwerden helfen.

Trockennadelung

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Risiken der Trockennadelung

Die Risiken dieser Technik sind minimal, doch es kann sie geben. In den meisten Fällen kann der erfahrene Therapeut durch entsprechende Maßnahmen unerwünschte Nebenwirkungen verhindern:

  • Die Nadel gelangt über die Haut bis zum Muskel und kann kleine Blutgefäße anstechen. Dadurch kann ein kleines Hämatom entstehen, das jedoch in ungefähr einem Tag wieder verschwindet. Dieses Risiko ist bei  Patienten, die Antikoagulantien erhalten, größer, da das Blut in diesem Fall dünner ist.
  • Der Therapeut könnte auch einen Nerv verletzen, was zu einem Kribbelgefühl führt, das bald wieder verschwindet.
  • Andere, weniger häufige Risiken sind Schwindel während der Behandlung, was medizinisch als vasovagale Reaktion bezeichnet wird.
  • In seltenen Fällen können Komplikationen wie Pneumothorax oder Verletzungen innerer Organe auftreten.
  • Außerdem kann der Muskel anschwellen.
  • Nach der trockenen Punktion kann eine Dermatitis auftreten: Es kommt zu einer Hautreaktion an der behandelten Stelle.
  • Infektionsrisiko: Wie bereits erwähnt, ist die Hygiene sehr wichtig, um Infektionen zu verhindern. Der Physiotherapeut trägt Handschuhe und verwendet sterile Einwegnadeln.

Andererseits ist zu erwähnen, dass das Gefühl nach dem Trockennadeln ähnlich wie bei einer intensiven Massage ist. Es entsteht leichter Muskelkater, doch dieses Gefühl hält nicht länger als 1 bis 2 Tage an.

Gegenanzeigen der Trockennadelung

Die meisten Gegenanzeigen sind relativ. Hervorzuheben sind folgende:

  • Unüberwindbare Angst vor Nadeln
  • Gerinnungsprobleme und Behandlung mit Antikoagulantien: Risiko für eine Blutung
  • Personen mit geschwächtem Immunsystem: Risiko für Infektionen
  • Risiko für Lymphödem: An der Stelle, wo der Einstich der Nadel erfolgt, könnte sich Flüssigkeit ansammeln, wenn die Lympganglien in diesem Bereich entfernt wurden.
  • Hypothyreose: Risiko eines Myxödems oder einer Muskelschwellung

Ist die Trockennadelung effizient?

Aus verschiedenen Revisionen von Studien geht hervor, dass die trockene Punktion sehr effizient ist:

  • Sie lindert subjektive und objektive Schmerzen am Triggerpunkt und auch ausstrahlende Schmerzen. 
  • Außerdem verbessert diese Therapie die Beweglichkeit der Gelenke, die mit den Muskeln des Triggerpunktes assoziiert sind.
  • Es gibt nicht ausreichende wissenschaftliche Belege, doch Hinweise darauf, dass auch Depressionen von Patienten mit myofaszialen Schmerzen mit dem Trockennadeln gelindert werden können.

Außerdem konnten Forscher feststellen, dass die Wirksamkeit der Trockennadelung durch verschiedene Faktoren beeinflusst werden kann, zum Beispiel durch Schmerzen über einen langen Zeitraum, Schlafmangel oder sich wiederholende Tätigkeiten, die einen Muskel belasten.


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