Mandibuläre Retrognathie: Was ist das?

Eine Rückverlagerung des Unterkiefers ist nicht nur ein ästhetisches Problem. Es können dadurch auch Komplikationen wie Kopfschmerzen oder Schlafapnoe entstehen.
Mandibuläre Retrognathie: Was ist das?
Diego Pereira

Geprüft und freigegeben von dem Arzt Diego Pereira.

Geschrieben von Carmen Martín

Letzte Aktualisierung: 23. Mai 2023

Die mandibuläre Retrognathie beschreibt eine Rückverlagerung des Unterkiefers, was bedeutet, dass er vom Oberkiefer überragt wird. Diese Fehlstellung ist genetisch bedingt. Es handelt sich jedoch keinesfalls nur um ein ästhetisches Problem, denn diese Dysgnathie kann zu zahnmedizinischen und gesundheitlichen Komplikationen führen. Erfahre anschließend mehr darüber.

Das griechische Wort “gnathos” bedeutet Kiefer, “retro” rückwärts.

Was ist eine mandibuläre Retrognathie?

Die mandibuläre Retrognathie ist eine Knochenfehlbildung: Der Oberkiefer überragt den verkürzten Unterkiefer, was am Profil sofort zu erkennen ist. Die oberen Schneidezähne stehen vor, was zu einer charakteristischen vorspringenden Oberlippe führt. Durch die Diskrepanz zwischen Ober- und Unterkiefer, ist der Mundschluss oft kompliziert, die Gesichtszüge sind unharmonisch.

Personen mit einer mandibulären Retrognathie sind in der Regel an ihrem fliehenden Kinn zu erkennen. 

Diese Fehlstellung führt insbesondere bei Jugendlichen häufig zu Problemen mit dem Selbstwertgefühl und dem Selbstvertrauen. Dazu kommen Schwierigkeiten beim Kauen, Zahnprobleme und zum Teil auch Schwierigkeiten bei der Aussprache bestimmter Laute.

Mandibuläre Retrognathie: Ursachen

Diese mandibuläre Fehlstellung ist genetisch bedingt. Sie zeigt sich bereits im frühen Kindesalter und verstärkt sich mit der Zeit.

In einer Publikation von StatPearls ist nachzulesen, dass die Entwicklung des Kiefers normalerweise in der sechsten Schwangerschaftswoche beginnt. Der Kieferkondylus, der bewegliche Teil des Kiefergelenks, entwickelt sich jedoch erst ab der zehnten Schwangerschaftswoche. Der Unterkiefer wächst allmählich von vorn und nach unten, während sich der Kondylus bildet. Die volle Entwicklung ist bei Frauen erst im Alter von 17 bis 18 Jahren abgeschlossen, bei Männern im Alter von ungefähr 20 Jahren.

Bei Menschen mit einer mandibulären Retrognathie stoppt das Wachstum in der Regel deutlich früher. Deshalb ist der Unterkiefer verkürzt. Es kann jedoch auch vorkommen, dass sich der Oberkiefer schneller als normal entwickelt. Im Erwachsenenalter könnte außerdem ein schweres Trauma oder eine Schädeloperation für eine Fehlstellung verantwortlich sein.

Mögliche Komplikationen

Manchmal kommt es bereits bei Babys zu Komplikationen. Die mandibuläre Retrognathie erschwert nämlich zum Teil das Saugen an der Brustwarze der Mutter. Dies könnte zur Unterernährung des Kindes führen. Wenn das Kind älter ist und die Zähne des Oberkiefers nicht mit denen des Unterkiefers übereinstimmen, kann es Schwierigkeiten bei Beißen und Kauen haben.

Mit zunehmendem Alter nimmt in der Regel auch die Fehlstellung zu. Menschen mit einer mandibulären Retrognathie haben außerdem oft Kiefergelenksprobleme. Die angesammelte Spannung im Kiefer und im Gelenk verursacht Muskelkrämpfe und starke Kiefer- und Kopfschmerzen.

Eine weitere häufige Komplikation ist die obstruktive Schlafapnoe. Es kommt während der Nachtruhe zu Atemaussetzern, die zu Tagesmüdigkeit oder auch zu ernsteren Problemen führen können.

Behandlungsmöglichkeiten

Die mandibuläre Retrognathie sollte behandelt werden, um die beschriebenen Komplikationen zu verhindern. Der Zahnarzt oder die Zahnärztin führt verschiedene Untersuchungen durch, unter anderem eine Röntgenaufnahme, um die Diagnose zu stellen. In den meisten Fällen wird eine seitliche Röntgenaufnahme des Schädels (Cephalometrie) erstellt, um das Ausmaß der Fehlstellung zu bewerten. Nach der Diagnose gibt es verschiedene Behandlungsmöglichkeiten.

Behandlung bei Babys und Kindern

Eine frühe Behandlung erhöht die Erfolgsaussichten, deshalb kommen bei Kindern oft kieferorthopädische Techniken zum Einsatz. Funktionskieferorthopädische Geräte (FKO-Geräte) regulieren das Kieferwachstum aktiv. Das bedeutet, dass der unterentwickelte Unterkiefer unterstützt werden kann.

Ist die Retrognathie auf das Pierre-Robin-Syndrom zurückzuführen, können bereits Babys behandelt werden, um Komplikationen zu vermeiden.

Schwere Fälle erfordern jedoch oft eine weitere Behandlung im Jugend- oder Erwachsenenalter.

Behandlung bei Jugendlichen und Erwachsenen

Bei Jugendlichen und insbesondere bei Erwachsenen ist die Korrektur schwieriger. Deshalb kommen in diesem Fall festsitzende Zahnspangen zum Einsatz, wobei die Fehlstellung oft nur bis zu einem bestimmten Grad korrigiert werden kann. Die Ausrichtung der Zähne wird damit korrigiert, jedoch nicht die Form des Kiefers.

In manchen Fällen entscheiden sich Betroffene mit einem stark fliehenden Kinn für eine Mentoplastik, insbesondere dann, wenn medizinische Gründe wie eine Schlafapnoe vorliegen.

Mandibuläre Retrognathie, nicht nur ein kosmetisches Problem

Die mandibuläre Retrognathie ist zwar auf den ersten Blick erkennbar, doch dahinter verbergen sich zusätzlich mögliche Komplikationen. Deshalb empfiehlt es sich, diese Fehlstellung möglichst bereits in jungem Alter zu behandeln. Lasse dich von deiner Zahnärztin oder von deinem Zahnarzt über alle Möglichkeiten beraten.


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