Das "Rich-Kids-Syndrom": Eltern als Ursache

Das "Rich-Kids-Syndrom" (zu Deutsch in etwa "reiche Kinder-Syndrom") bezieht sich nicht unbedingt auf den Reichtum der Eltern. Vielmehr geht es hier um eine nicht gelungene Erziehung, bei der die Kinder völlig überbehütet aufwachsen und ihnen selbstständiges Handeln gar nicht oder nur ungenügend vermittelt wird.
Das "Rich-Kids-Syndrom": Eltern als Ursache
Bernardo Peña

Geschrieben und geprüft von dem Psychologen Bernardo Peña.

Letzte Aktualisierung: 18. Juli 2022

Das “Rich-Kids-Syndrom” wird auch “Affluenza” genannt. Das ist ein Kunstwort, zusammengesetzt aus den beiden Worten “affluence” (englisch für Wohlstand) und Influenza, der Grippe. Dabei bezieht es sich keineswegs allein auf Kinder von reichen Eltern. Vielmehr hat es damit zu tun, dass Eltern ihren Kindern alles geben, was sie wollen, ohne dass diese auch nur die geringste Anstrengung unternehmen müssen. Dazu kommt es normalerweise in wohlhabenden Familien.

Nichtsdestotrotz ist dieses Phänomen aber auch in Familien der Mittelschicht zu beobachten. Viele Eltern versuchen (oft unbewusst), mit materiellen Dingen die Tatsache zu kompensieren, dass sie nicht genug Zeit mit ihren Kinder verbringen und sich zu wenig um sie kümmern.

Woher kommt der Begriff “Rich-Kids-Syndrom”?

Woher kommt der Begriff "Rich-Kids-Syndrom"?

Obwohl das “Rich-Kids-Syndrom” nicht als offizielle Diagnose von den weltweiten Psychiater-Verbänden anerkannt ist, spricht man schon seit den 90er Jahren darüber. Unter dem Begriff “Affluenza” wurde dieses Leiden bekannt, nachdem es in dem Buch The Golden Ghetto: The Psychology of Affluence erwähnt wurde.

In diesem Buch spricht die Autorin darüber, wie die verwöhnten Kinder wohlhabender Familien unverantwortliche Verhaltensweisen an den Tag legen und einen Mangel an Empathie aufweisen. Für sie ist dies eine direkte Folge davon, dass die Eltern ihre Kinder  übermäßig verwöhnen, sie überbehüten und den Mangel an gemeinsamer Zeit mit Geschenken und Geld zu kompensieren versuchen.

Wie merken wir, ob wir bei unseren Kindern das “Rich-Kids-Syndrom” fördern?

Wie merken wir, ob wir bei unseren Kindern das "Rich-Kids-Syndrom" fördern?

Es braucht nicht unbedingt Reichtum, um an diesem Syndrom zu leiden. Tatsächlich gibt es immer mehr Fälle von dem “reiche Kinder-Syndrom” in der Mittelschicht.

Oft widmen die Eltern der Erziehung ihrer Kinder nicht genug Zeit, weil sie zu viele andere Aufgaben haben oder sich um finanzielle Sicherheit bemühen. Dieses Defizit an Zuwendung versuchen sie dann mit materiellen Dingen wiedergutzumachen.

Eines der ersten Anzeichen des “Rich-Kids-Syndrom” ist, dass das Kind sich vergleichsweise häufig über Langeweile beklagt. Und das, obwohl das Kinderzimmer voller Spielzeug und allen möglichen topmodernen technologischen Apparaten ist.

Wenn wir unserem Kind etwas schenken, nur um es zu beruhigen oder einen Wutanfall zu vermeiden, dann fördern wir ganz eindeutig dieses Verhalten. Dasselbe gilt, wenn wir unseren Nachwuchs permanent für jeden noch so kleinen Gefallen gegenüber anderen oder für gutes Benehmen belohnen.

Eine weitere Art und Weise, dieses Syndrom zu fördern: den Kindern teure Geschenke kaufen, auch wenn es dafür keinen besonderen Anlass gibt. Ebenso: Ausgaben für die Familien hinten anstellen, nur um eine Laune des Kindes zu befriedigen. Diese Verhaltensweisen der Eltern ebnen den Weg für das “Rich-Kids-Syndrom”. Und sie bedeuten eine Gefahr für die emotionale und körperliche Gesundheit der Kinder.

Wie kann sich das Syndrom auf unsere Kinder auswirken?

Wie kann sich das Syndrom auf unsere Kinder auswirken?
  • Eine häufige Auswirkung bei Kinder und Jugendlichen ist, dass sie ein schwaches Selbstbewusstsein ausbilden und motivationslos sind.
  • Sie können nicht mit Frustrationen umgehen, denn sie denken, dass sie alles verdient haben.
  • Die Kinder und Jugendlichen können sich nicht mit ihren eigenen Problemen auseinandersetzen. Sie glauben, es wird immer Mama oder Papa mit einer Lösung kommen.
  • Ihre Gedankenlosigkeit führt dazu, dass sie unverantwortlich und undiszipliniert sind.
  • Bei schlechtem Abschneiden in der Schule reagieren sie mit starken Stress- und Angstgefühlen.
  • Sie haben Schwierigkeiten harmonische Beziehungen mit ihren Klassenkameraden zu führen.
  • Schon bei nichtigen Anlässen werden sie gereizt und unruhig, was dazu führt, dass sie sich schließlich unglücklich fühlen.
  • Häufig kommt es auch zu schädlichem Verhalten wie Drogenkonsum.

Können wir es verhindern?

Können wir es verhindern?

Ganz wichtig ist es, dem Kind eins klar zu machen: Es erfordert viel Anstrengung von Seiten der Eltern,  einen komfortablen Lebensstil beizubehalten. Zudem sollte das Kind auch wissen, dass man arbeiten muss, um sich Dinge leisten zu können – mitunter sogar sehr viel! Außerdem ist es wichtig, ihm beizubringen, dass man manchmal zunächst sparen muss, um sich etwas Schönes kaufen zu können.

Unsere Kinder müssen verstehen, dass auch sie im Haushalt bestimmte Aufgaben zu übernehmen haben. Und das, ohne dafür eine besondere Belohnung zu erhalten. Sie müssen lernen, den Tisch zu decken, den Müll rauszubringen und ihr Zimmer aufzuräumen und zu putzen. Dadurch werden ihre Wertvorstellungen gestärkt.

Die Kinder müssen mit dem wirklichen Leben in Kontakt kommen. Sie müssen lernen, das, was sie haben, und auch ihre Mitmenschen wertzuschätzen. Als Eltern dürfen wir sie auf keinen Fall überbehüten. Ganz im Gegenteil: Wir müssen ihnen Mittel und Strategien an die Hand geben, die ihnen bei der Bewältigung ihrer eigenen Probleme weiterhelfen.

Eine gewisse Strenge gegenüber den Kindern ist auch Ausdruck von Liebe. Dadurch erziehen wir Kinder zu ethischer und emotionaler Stärke. Du liebst deine Kinder, indem du ihnen Grenzen aufzeigst.  Sie müssen sich anstrengen, um das zu erreichen, was sie haben wollen.

Frustrationen sind auch Teil des Lernprozesses. Und es ist von grundlegender Wichtigkeit, zu lernen, wie man mit ihnen umgeht. Dadurch förderst du die Entwicklung der emotionalen und psychologischen Fähigkeiten, die deinem Kind helfen, ein glücklicherer Erwachsener zu werden.


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