Japanische Keramik als Ausdruck der zerstörten Normalität

Bei dieser Technik geht es nicht alleine darum, zerbrochene Keramik wieder zu reparieren. Die Risse sind ein Symbol für Wunden, die nicht versteckt werden, sondern die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und das Objekt schöner machen.
Japanische Keramik als Ausdruck der zerstörten Normalität
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 18. Juli 2022

Zerbrochene Keramik symbolisiert die Fragmente unseres Lebens. Es ist sehr schwierig, diese zusammenzusetzen, denn nach Enttäuschung, Verlusten oder Verrat fühlen wir uns alle wie zerbrochene Keramik.

Doch die Einzelstücke der Keramik können ihre ursprüngliche Schönheit wieder zurückerlangen und damit wertvoller werden, wenn dies richtig gemacht wird.

Die meisten von uns würden dafür einfach einen ganz gewöhnlichen Kleber verwenden, um die Keramikteile schnell und einfach aneinanderzufügen.

In Japan übt man jedoch schon seit Langem eine Kunst, um zerbrochene Keramik zu reparieren. Es handelt sich um eine eigene Philosophie, von der wir sehr viel lernen können.

Es geht um Kintsugi oder die Reparatur mit Gold, eine wunderbare Technik, um neue Objekte zu schaffen, die schöner und stärker sind und gleichzeitig eine psychologische Dimension widerspiegeln, die wir alle kennen: die Resilienz.

Die Kunst, zerbrochene Keramik zu reparieren

Keramik-reparieren

Der Bruch eines Objektes erzählt eine Geschichte.

  • Vielleicht ist der Teller zu Boden gefallen, da du in Gedanken weit entfernt von der Wirklichkeit warst.
  • Vielleicht ist die Teetasse gesprungen, während du mit Freunden gelacht und glückliche Augenblicke geteilt hast.
  • Jeder Sprung im Porzellan bedeutet einen Augenblick in deinem Leben. Das Objekt wegzuwerfen ist keinesfalls notwendig.

Es wäre so, als ob du einen Verwundeten verlassen würdest, als ob du dich weigern würdest, Liebeskummer zu überwinden…

All diese Gedanken fassen sich in der japanischen Philosophie des Kintsukuroi zusammen, die aufgrund ihrer positiven Symbolik weltweit bekannt geworden ist.

Anschließend erfährst du mehr über diese Technik.

Ursprünge des Kintsukuroi

Um diese Technik zu verstehen, müssen wir ans Ende des 15. Jahrhunderts reisen, die Epoche der Shogune.

  • Ashikaga Yoshimasa initiierte diese tausendjährige Tradition. Nachdem seine Lieblingsteetassen zerbrachen, entschied er sich, diese nach China zu schicken, um sie restaurieren zu lassen.
  • Nach kurzer Zeit erhielt er die Tassen mit auffallenden Klammern aus Metall zurück, was jedoch den ästhetischen Ansprüchen des Herrschers nicht entsprach.
  • Der Shogun war wegen des unschönen Ergebnisses verärgert und bat seine Handwerker, eine Lösung zu finden.
  • Sie restaurierten die Tassen ganz einfach mit einer goldenen Masse, mit der sie die zerbrochenen Teile aneinanderfügten, um ein noch schöneres, stärkeres Objekt zu bilden.

Der Shogun war von dieser Lösung begeistert.

 Linien

Wie werden zerbrochene Keramikobjekte im Kintsukuroi-Stil restauriert?

Du bist sicher ebenfalls wie der Shogun von dieser Methode begeistert und möchtest wissen, wie diese genau angewendet wird.

Wenn du Lust hast, zerbrochene Teller oder Tassen zu reparieren, kannst du diese einfache Technik anwenden:

Du benötigst:

  • Keramikmasse
  • synthetisches Goldpulver (oder goldenen Glitzer)
  • die zerbrochenen Keramikteile
  • Körner
  • Spachtel

So wird es gemacht:

Vermische die Keramikmasse mit dem Goldpulver (du kannst dies auf einem Stück Karton oder in einem Becher machen).

  • Die Menge hängt davon ab, wie groß das Objekt ist und wie viele Teile zusammengesetzt werden müssen.
  • Mithilfe des Körners oder der Spachtel wird anschließend die Masse auf die Kanten der Scherben aufgetragen. Danach werden diese sofort zusammengesetzt.
  • Du wirst sehen, wie eine schöne goldene Linie zwischen den Teilen entsteht, welche die verwundeten Teile zusammenhält und das Objekt schöner und einzigartig macht.

Jetzt musst du nur noch warten, bis die Keramikmasse trocknet und schon ist das neue Objekt fertig.

Keramik-zusammensetzen

Die Schönheit liegt in der Geschichte, die das Objekt zu erzählen hat, nicht im Objekt selbst

Die Kintsukuroi-Philosophie kann perfekt auf das eigene Leben übertragen werden.

Die Resilienz ist jenes psychologische Element, das wie die goldene Keramikmasse zerbrochene Teile zusammensetzt und Wunden heilt, indem wir aus diesen lernen.

Anstatt dich über begangene Fehler, geplatzte Träume oder gescheiterte Projekte zu schämen, solltest du vielmehr dazu fähig sein, die Schönheit dieser Lebenslinien zu sehen, die dir geholfen haben so zu sein, wie du jetzt bist.

Eine ausgeglichene, reife Person, ein Mensch, der aus schwierigen Situationen des Lebens weiser hervorgeht und glänzt.

Das zerbrochene Keramikobjekt, das durch Kintsukuroi neu zusammengefügt wurde, hat eine wunderbare Eigenschaft: Es ist stärker, die restaurierten Tassen sowie Teller gehen nicht mehr so schnell zu Bruch.

Auch mit weisen und resilienten Personen ist es ähnlich: Sie haben ihre Wunden mit Gold versiegelt und sind nicht mehr so schwach wie früher. Wir alle lernen dies mit der Zeit.


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