Physiotherapie bei Zerebralparese: Was bewirkt sie?
Die Physiotherapie bei Zerebralparese ist eine wichtige Säule in der Behandlung, da sie die Lebensqualität der Betroffenen verbessert. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern kann sie Bewegungsabläufe stimulieren, Muskelkontrakturen verringern und vor allem Unabhängigkeit und Selbstständigkeit fördern.
Untersuchungen, die im Indian Journal of Orthopaedics veröffentlicht wurden, zeigen, dass diese therapeutischen Maßnahmen entscheidend dazu beitragen, die motorischen Fähigkeiten zu fördern, die kardiorespiratorische Fitness zu verbessern und das Risiko von Komplikationen zu verringern. In diesem Artikel schauen wir uns genauer an, wie die Physiotherapie bei Zerebralparese erfolgt und welche wichtigen Funktionen sie erfüllt.
Was ist Zerebralparese?
Bei der Zerebralparese handelt es sich nicht um eine Entität, sondern um eine Gruppe von entwicklungsbedingten Bewegungs- und Haltungsstörungen, die zu Aktivitätseinschränkungen führen. Sie wird auf eine nicht-progressive Schädigung des sich entwickelnden Gehirns während der Fetalperiode oder in den ersten 5 Lebensjahren (wenn das Gehirn noch unreif ist) zurückgeführt.
Obwohl sie durch eine Beeinträchtigung der Fein- und Grobmotorik gekennzeichnet ist, geht sie häufig mit folgenden Merkmalen einher:
- Störungen der Sinnesorgane
- Kognitive Probleme
- Kommunikationsschwierigkeiten
- Wahrnehmungsstörungen
- Verhaltensauffälligkeiten
- Schmerzen
- Harninkontinenz
- Sekundäre muskuloskelettale Probleme
- Epilepsie
Daher ist die frühzeitige Erkennung von Behinderungen und die frühzeitige Einleitung von Physiotherapie ein wesentlicher Bestandteil für die Entwicklung der Betroffenen.
Klassifizierung der Zerebralparese
Um die Auswirkungen der Physiotherapie auf die Zerebralparese zu verstehen, muss man sie zunächst einmal klassifizieren. Auf diese Weise lassen sich der richtige Ansatz und die Entwicklungsprognose bestimmen. Konventionell erfolgt die Klassifizierung anhand folgender Kriterien:
- Grad der motorischen Schädigung
- Typografische Verteilung
- Funktioneller Schweregrad
Spastisch, dyskinetisch, ataktisch, hypotonisch oder gemischt
Je nach motorischer Schädigung lässt sich diese Erkrankung wie folgt klassifizieren:
- Spastische Zerebralparese: Dies ist die häufigste Form. Sie bildet eine heterogene Gruppe, die sich nach der topografischen Verteilung des erhöhten Muskeltonus richtet. Die Spastik ist durch angespannte und starre Muskeln gekennzeichnet, die sich nicht entspannen können. Dazu gehören die Tetraplegie (alle vier Gliedmaßen sind betroffen), die Paraplegie (die häufigste Form, bei der vor allem die unteren Gliedmaßen betroffen sind) und die Hemiplegie (die Hälfte des Körpers ist betroffen, wobei die oberen Gliedmaßen stärker betroffen sind).
- Diskinetische Zerebralparese: Sie äußert sich durch abrupte Veränderungen des Muskeltonus, unwillkürliche Bewegungen und das Fortbestehen primitiver Reflexe. Je nach klinischem Erscheinungsbild wird sie in choreoathetotische (Chorea, Athetose, Tremor), dystonische und gemischte Formen unterschieden.
- Ataxische Zerebralparese: Der Muskeltonus nimmt ab und es kommt zu motorischer Inkoordination, Dysmetrie, Ungleichgewicht und Ataxie.
- Hypotone Zerebralparese: Diese Form ist sehr selten. In diesem Fall ist der Muskeltonus vermindert und die Reaktion auf die osteotendinösen Reflexe erhöht.
- Gemischte Zerebralparese: Sie tritt auf, wenn die motorische Störung nicht rein ist und einige der oben genannten Symptome kombiniert. Am häufigsten ist die Kombination von Dystonie und Spastik oder von Ataxie und Dystonie.
Die Topografie hängt von den betroffenen Gliedmaßen und dem Schweregrad der Einschränkung der täglichen Aktivitäten ab
Die Klassifizierung nach der topografischen Verteilung erfolgt folgendermaßen:
- Tetraplegie
- Diplegie
- Halbseitenlähmung
- Querschnittslähmung
- Monoplegie
Je nach funktionellem Schweregrad kann die Zerebralparese als leicht, mittelschwer oder schwer eingestuft werden. Bei einem leichten Schweregrad schränkt sie die täglichen Aktivitäten nicht ein. Wenn ein mittlerer Schweregrad vorliegt, ist Hilfe oder Unterstützung bei den täglichen Aktivitäten erforderlich. Bei einer schweren Zerebralparese ist Unterstützung bei allen Aktivitäten erforderlich.
Physiotherapie bei Zerebralparese
Bei der Behandlung von Zerebralparese ist ein multidisziplinäres Team für eine angemessene Beurteilung und umfassende Betreuung erforderlich. Die Behandlung muss individualisiert, spezialisiert und nachhaltig sein und auf das familiäre, soziale und schulische Umfeld abgestimmt sein.
Im Hinblick auf die motorische Störung ist die Grundlage der Behandlung die Physiotherapie. Die jeweilige Technik hängt vom Zustand und Alter des Patienten ab.
Physiotherapie bei Zerebralparese: Neuropsychologische Entwicklungstherapie
Auch als “NDT” oder “Bobath-Methode” bekannt, basiert sie auf der Hemmung abnormaler Muskelreflexe durch die Reduzierung des Muskeltonus. Es kommen verschiedene Techniken zur Anwendung, um eine normale Körperhaltung, verschiedene Bewegungsmuster und korrekte Reflexe zu ermöglichen.
Die neuropsychologische Entwicklungstherapie geht davon aus, dass das Vorhandensein normaler Haltungsreflexe für die Ausführung einer bestimmten motorischen Fähigkeit von grundlegender Bedeutung ist. Dies bezieht sich auf Aufrichtungs- und Gleichgewichtsreaktionen, reziproke Innervation und Koordinationsmuster.
Durch Mobilisierung steifer Muskeln und Gelenke, Muskeldehnung und das Einüben normaler Bewegungsmuster soll der Muskeltonus gesenkt und die Bewegung verbessert werden. Außerdem zielt sie auf eine effizientere und weniger anstrengende Ausführung funktioneller Aufgaben und Gewichtsbelastung ab.
Physiotherapie bei Zerebralparese: Bewegungsinduktionstherapie
Diese Therapie, auch bekannt unter dem Akronym CIMT (für Constrained Induced Movement Therapy), wird bei einer Beteiligung der Körpermitte eingesetzt, um die Funktion der betroffenen Gliedmaße zu verbessern. In diesem Fall wird die stärkere Gliedmaße für einen variablen Zeitraum ruhiggestellt, um die Nutzung der beeinträchtigten Gliedmaße mit der Zeit zu erzwingen.
Patterning-Therapie
Diese Therapie basiert auf dem Prinzip, dass Fortschritt und Entwicklung durch eine festgelegte und vorherbestimmte Abfolge gesteuert werden. Wenn sie fehlschlägt, kommt es daher zu Schwierigkeiten bei der Entwicklung der nächsten Schritte.
Auf dieser Grundlage lässt sich die motorische Aktivität von Menschen mit zerebralen Lähmungen durch eine verlängerte passive Wiederholung typischer Entwicklungsschritte fördern.
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Körpergewichtstraining auf dem Laufband
Diese Technik basiert auf dem primitiven Reflex von Neugeborenen und Kleinkindern, bevor sie ihr Gewicht tragen, stehen oder versuchen, auf einer ebenen Fläche zu gehen. In diesem Fall wird die Person mit Zerebralparese auf ein Laufband gestellt, um das Gehen mit Unterstützung des Körpergewichts zu simulieren.
Dies verbessert das Gleichgewicht und erhöht die Muskelkraft in den unteren Gliedmaßen, was das Gehen ohne Unterstützung erleichtert. Insbesondere für Menschen mit spastischer Zerebralparese ist dies eine große Hilfe, da es die Gehfähigkeit verbessert und Asymmetrien beim Stehen aufgrund der Gewichtsverteilung verringert.
Physiotherapie bei Zerebralparese: Dehnübungen
Bei Zerebralparese ist der Muskeltonus oder der Widerstand gegen Dehnung oft erhöht. Daher basiert diese Methode auf manueller Dehnung, um Muskelverspannungen zu lösen. Auf diese Weise lässt sich Folgendes erreichen:
- Verbesserung des Bewegungsumfangs
- Reduzierung der Spastik
- Verbesserung der Effizienz beim Gehen
In der Regel kommen schnelle oder kurze, verlängerte oder anhaltende Dehnungstechniken zum Einsatz. Das kann auch durch die Wirkung von Körpergewicht und Schwerkraft oder mechanisch mit Maschinen oder Schienen geschehen. Dies hilft, den Muskel passiv zu verlängern, indem der Widerstand überwunden wird.
Eine weitere Möglichkeit, diese Art der Physiotherapie umzusetzen, ist die statische Gewichtsbelastung. Hierfür werden Kipptische, Schienen mit Schienen oder Gipsen oder Stehgestelle verwendet. Dadurch wird die Antigravitationsmuskelkraft verbessert, die Spastik reduziert, die Motorik stimuliert und Schwellungen reduziert.
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Muskelkräftigungsübungen
Als spezifische funktionelle Übungen je nach Behinderung können Heimtrainer, Laufbänder, plyometrische Übungen oder bimanuelle Stimulation eingesetzt werden.
Physiotherapie bei Zerebralparese: Hydrotherapie
Bei der Behandlung von Zerebralparese hat der Einsatz von therapeutischen Bädern mehrere Vorteile. Dies unterstützt nicht nur die geistige und kardiovaskuläre Anpassung, sondern stellt auch die Kontrolle über das Gleichgewicht des Körpers wieder her. Außerdem fördert die Hydrotherapie die Blutzirkulation und die Temperaturregulierung, was die Herzfrequenz senkt.
Das warme Milieu der Hydrotherapie reduziert den Muskeltonus und verbessert so die Spastizität und ermöglicht eine größere Bewegungsfreiheit. Auf diese Weise werden die muskuläre Ausdauer und die Kraft gefördert. Darüber hinaus hat sie eine entspannende Wirkung und verbessert die Koordination, was sich in einer verbesserten körperlichen Beweglichkeit niederschlägt.
Die Behandlung der Zerebralparese zielt auf die Verbesserung der Lebensqualität der Patienten ab
Das Hauptziel der Zerebralparese-Behandlung besteht darin, dass Patienten ein Höchstmaß an funktioneller Unabhängigkeit erreichen. Die Behandlung sollte individuell gestaltet und an das Umfeld des Betroffenen angepasst werden.
Die Physiotherapie bei Zerebralparese beinhaltet Kraft- und Flexibilitätsübungen für die Körperhaltung und die allgemeine Mobilität. Außerdem lindert sie Schmerzen und beugt Muskelkrämpfen und Kontrakturen vor.
Daher verbessert sie das Gleichgewicht, die Koordination, die Kraft, die Flexibilität, die Schmerzbewältigung, die Körperhaltung, die Ausdauer und die allgemeine Lebensqualität. Allerdings ist es wichtig, die Behandlungen rechtzeitig durchzuführen, um die Prognose zu verbessern.
Die Behandlung ist umso wirksamer, je früher sie erfolgt, denn in den ersten Lebensjahren findet eine starke neuronale Plastizität statt, die die Entwicklung oder Zunahme neuer synaptischer Verbindungen ermöglicht.
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