Phantom-Extremitäten-Syndrom: Was genau ist das?

Das Phantom-Extremtäten-Syndrom ist ein extrem unangenehmer Zustand für Amputierte. Obwohl es noch keine spezifische Behandlung gibt, ist es Experten gelungen, die Beschwerden der Betroffenen zu lindern. In diesem Artikel erfährst du alles Wissenswerte darüber.
Phantom-Extremitäten-Syndrom: Was genau ist das?
Leonardo Biolatto

Geschrieben und geprüft von dem Facharzt Leonardo Biolatto.

Letzte Aktualisierung: 04. August 2022

Das Phantom-Extremitäten-Syndrom tritt auf, wenn eine amputierte Person die amputierte oder fehlende Gliedmaße weiterhin spürt. Obwohl die amputierte Gliedmaße nicht mehr existiert, glaubt das Gehirn, dass das Körperteil noch da ist.

Die Empfindungen, die die Betroffenen spüren, sind Schmerz, Juckreiz, Hitze und Druck. Sie können alle zusammen oder einzeln auftreten. Dieses Syndrom äußert sich nicht immer auf dieselbe Art und Weise.

Der Arzt Silas Weir Mitchel beschrieb erstmals das Phantom-Extremitäten-Syndrom. Dieser Mediziner betreute im nordamerikanischen Bürgerkrieg verwundete Soldaten, von denen viele aufgrund von Kriegsverletzungen amputiert waren. Er beobachtete, dass viele von ihnen unter Phantomsymptomen litten.

Die Empfindungen sind so häufig, dass Experten schätzen, dass bis zu 85 % der Amputierten darunter leiden. Obwohl sie häufig im Laufe der Zeit nachlassen, können sie mitunter aber auch noch mehrere Jahrzehnte nach der Amputation auftreten.

Phantom-Extremitäten-Syndrom: Erscheinungsformen

Das Phantom-Extremitäten-Syndrom kann sich auf drei verschiedene Arten manifestieren:

1. Restschmerz der Gliedmaßen

Wenn eine Gliedmaße amputiert wird, bleibt ein Stumpf zurück. Dieser Stumpf hat Nervenenden, die Schmerzen verursachen können, da das Gehirn die Lage des nicht mehr vorhandenen Teils der Gliedmaße simuliert. In den Stümpfen kann sich Entzündungsflüssigkeit oder Blut ansammeln, was die Schmerzen noch verstärkt.

2. Phantom-Empfindung

Sobald die Amputation abgeschlossen ist, nehmen fast alle Amputierten im ersten Monat danach wahr, dass die Gliedmaße noch vorhanden ist. Das ist ein Gefühl, kein Schmerz.

3. Phantomschmerz

Dies ist die klinische Form, die für die Patienten besonders belastend ist. Darüber hinaus ist sie auch am schwierigsten zu behandeln. Neben den Schmerzen, die durch eine nicht mehr vorhandene Gliedmaße hervorgerufen werden, können auch ein Juckreiz oder erhöhte Temperatur auftreten. Darüber hinaus handelt sich um eine recht hartnäckige Symptomatik, deren tatsächliche Ursache wissenschaftlich noch umstritten ist. Mit anderen Worten, es wird diskutiert, ob der Schmerz von den peripheren Nerven oder vom Gehirn ausgeht.

Phantom-Extremitäten-Syndrom - teilamputiertes Bein
Das Phantom-Extremitäten-Syndrom tritt bei Amputierten auf. Hierunter werden in der Regel eine Reihe von Empfindungen zusammengefasst, die an der Stelle auftreten, an der sich die amputierte Gliedmaße befand.

Warum tritt das Phantom-Extremitäten-Syndrom auf?

Das Phantom-Extremitäten-Syndrom ist auf die Vorstellung zurückzuführen, die das Gehirn von unserem Körper hat. Um im Alltag zu funktionieren, entwickelt das Gehirn ein Körperschema, wie wir äußerlich aussehen.

Wenn eine Gliedmaße amputiert wird, bleibt die Körperstruktur, die das Gehirn vor der Amputation aufgebaut hat, bestehen. Für das Gehirn bleiben die Gliedmaßen an der gleichen Stelle, bis es eine neue Struktur assimiliert hat.

Die Entwicklung des neuen Schemas verläuft langsam und die Signale verwirren die Neuronen. All die neuen sensorischen Informationen überfordern das Gehirn, das den Körper, in dem es sich befindet, neu erlernen muss.

In der Neurologie spricht man von einem somatosensorischen Gedächtnis. Dieses Gedächtnis des Nervensystems wird von dem Moment an, in dem wir gezeugt werden, mit den Empfindungen gespeist, die wir wahrnehmen.

Mit anderen Worten: Die Erfahrungen von Schmerz, Hitze, Kälte, Juckreiz, Unbehagen usw. helfen dem Körper, sich selbst wahrzunehmen.

Die Symptome dieses Syndroms

Der Patient/die Patientin berichtet dem behandelnden Arzt oder der Ärztin über seine/ihre Empfindungen und Beschwerden. Anschließend stellt er/sie die Diagnose Phantom-Extremitäten-Syndrom. Hier sind die häufigsten Symptome, unter denen Amputierte leiden:

  • Schmerzen
  • Juckreiz
  • Extreme Hitze und Kälte
  • Das Gefühl, dass die nicht vorhandene Gliedmaße etwas tut, z. B. die Finger bewegt oder sich in eine bestimmte Position bewegt
  • Teleskopieren – das Gefühl, dass das Phantomglied mit der Zeit immer kürzer wird

Mögliche Behandlungen für das Phantom-Extremitäten-Syndrom

Es gibt zwei Behandlungsmöglichkeiten für das Phantom-Extremitäten-Syndrom. Ärzte müssen beide anwenden. Die erste ist pharmakologisch und die zweite umfasst Therapien und Techniken.

Der pharmakologische Ansatz besteht aus der Verabreichung von Schmerzmitteln und analgetischen Hilfsmitteln. In der Regel kommen Antidepressiva, Neuroleptika und Mittel zur Regulierung der synaptischen Übertragung zum Einsatz.

Phantom-Extremitäten-Syndrom - Schmerzmittel
Obwohl Analgetika eine Behandlungsmöglichkeit für das Phantom-Extremitäten-Syndrom sind, sind sie nicht vollständig wirksam.

Bei den nicht-pharmakologischen Therapien können sich Kinesiotherapie, elektrische Stimulation, Spiegeltherapie für Neuronen und das Nervensystem und sogar Gehirnchirurgie als hilfreich erweisen. Allerdings führt keine Technik zu einer vollständigen Linderung der Symptome.

Wissenschaftliche Studien legen nahe, dass eine korrekte präoperative Schmerzbehandlung vor der Amputation hilfreich sein könnte. Der Einsatz einer präoperativen kontinuierlichen lokalen Analgesie während der Amputation könnte sich als hilfreich erweisen.

Dieser Ansatz ist nicht einfach und wird noch erforscht. Fortschritte im Verständnis der Ursachen und der Pathophysiologie des Gehirns haben zu Fortschritten bei der Entdeckung des Ursprungs des Phantom-Extremitäten-Syndroms geführt.


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