Warum erinnern wir uns nicht an unsere Geburt?

Die Geburt ist ein traumatischer Moment.
Warum erinnern wir uns nicht an unsere Geburt?
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 18. Juli 2022

Wir haben beispielsweise Erinnerungen an unsere Kindheit und Jugend, sind jedoch nicht in der Lage den wichtigsten Moment des Lebens, nämlich unsere Geburt, in Erinnerung zu rufen. Warum? Heute erklären wir dir die Gründe.

1. Nervenzellbildung während der ersten Lebensjahre

Die Geburt ist ein traumatischer Moment. Fremde Hände holen dann das Baby aus der warmen, wohligen Höhle in die kalte, laute Welt. An keinem anderen Ort fühlt man sich so sicher und geliebt, das Leben draußen beginnt dann meist mit Tränen und Schmerz.

Was spürt ein Baby bei der Geburt, Schmerz, Angst, Freude sowie Neugier? Leider können wir uns an diesen wichtigen Moment nicht erinnern. Grund dafür ist die sogenannte Nervenzellbildung (Neurogenese).

Kurz vor der Geburt bis einige Tage danach findet im Gehirn das stärkste Zellwachstum statt. Neue Neuronen ersetzen in einem intensiven sowie energiereichen Prozess die vorhandenen Stamm- oder Vorläuferzellen. Erstaunt?

Warum vergessen wir dann? Hängen unsere Erinnerungen und Lernprozesse nicht von den Neuronen ab? Bedeutet ein Neuronenwachstum nicht sogar ein größeres Erinnerungsvermögen?

Baby

Bei Neugeborenen und in den ersten Lebensmonaten ist dies anders. Erinnerungen verbleiben nicht im Gedächtnis, da die Zellerneuerung zu intensiv ist. Strukturen überlappen sich und Erinnerungen verschwinden, weil neue Zellen entstehen.

Die Erinnerungen sind nicht standfest, da das konstante Wachstum zu schnell abläuft. Nach 5-6 Monaten stabilisiert sich dieser Prozess. Die Neuronenbildung verliert an Intensität. Ab diesem Zeitpunkt verbleiben die Erinnerungen.

Nach dem 6. bzw. 7. Lebensjahr kehrt sich der Prozess um, Neuronen fangen an zu verschwinden. Der Evolutionsprozess ist zwischen dem 1. und 5. Lebensjahr am intensivsten.

In diesem Alter sind Kinder wie Schwämme, sie nehmen alles auf und sind sogar in der Lage mehrere Sprachen zu lernen. Die ersten Tage ihres Lebens haben sie jedoch schon längst vergessen.

2. Sprache und Erinnerung nach der Geburt

Baby

Viele Ärzte und Psychologen versichern, dass wir uns nur an jene Dinge erinnern können, die wir auch mit Worten beschreiben können.

Teste selbst, versuche dich an dein erstes Erlebnis zu erinnern. Wahrscheinlich handelt es sich um eine Empfindung, einen Geruch oder eine Situation: Deine Mutter hält dich im Arm, ein Spaziergang im Park… Zu der Zeit konntest du wahrscheinlich schon die ersten Worte aussprechen.

In vielen Experimenten wurde festgestellt, dass es einfacher ist, sich an in Worte fassbare Dinge zu erinnern. Das Gehirn organisiert und speichert alles im Hippocampus.

Diese Struktur ist stark mit dem Gedächtnis verbunden. Das Sprechvermögen hängt ebenfalls mit unserem Gedächtnis zusammen, so dass beides einen logischen Bezug hat.

Deshalb ist es sehr schwer einen so intensiven Moment, wie die Geburt ins Gedächtnis zu rufen, da wir zu dem Zeitpunkt unsere Gedanken nicht in Worte fassen konnten.

Trotzdem gibt es erstaunlicherweise Menschen, die sich an kleine Abschnitte und vage Empfindungen ihrer Geburt erinnern können. Gehörst du vielleicht zu diesen Menschen? Erzähl uns deine Geschichte.


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